Krise erhöht Druck auf Pensionsreform

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Österreich gibt mit 12,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung deutlich mehr für die Finanzierung der Pensionen aus als der EU-Durchschnitt. Eine längere Lebensarbeitszeit bleibt dennoch ein Tabu.

Wien. Noch ist Österreich in einer besseren Ausgangslage als Länder wie Griechenland oder Italien: Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, und die Wirtschaftsleistung ist nicht wesentlich eingebrochen. Doch während die Krisenländer eines nach dem anderen ihre Pensionssysteme reformieren, tickt in Österreich weiterhin diese budgetäre und soziale Zeitbombe. 12,3 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung fließen mittlerweile in das Pensionssystem, errechnet die OECD. Und dieser Anteil wird weiter steigen. In der EU liegt der Durchschnitt derzeit bei zehn Prozent. Und selbst das halten Experten für zu hoch.

In 28 von 34 OECD-Ländern ist bereits eine Anhebung des Pensionsantrittsalters beschlossen oder für die Zukunft eingeplant worden. Nicht so in Österreich. Hier wurde lediglich eine schrittweise Angleichung des noch geringeren Antrittsalters von Frauen bis 2033 auf 65 Jahre ins Auge gefasst. Deutschland wird das Pensionsantrittsalter schrittweise bis 2029 auf 67 Jahre erhöhen. Italien bereitet eine Anhebung auf 70 Jahre vor, Spanien will seine geplante Erhöhung auf 67 Jahre vorziehen, Griechenlands Regierung musste unter dem Druck der internationalen Geldgeber bereits einer Anhebung auf 67 Jahre zustimmen. Die einzige Ausnahme ist Frankreich, das unter seinem neuen Präsidenten François Hollande das Antrittsalter für Langzeitarbeitnehmer von 62 auf 60 gesenkt hat.

Druck auf öffentliche Budgets

Trotz solcher Reformbemühungen schlug die EU-Kommission zuletzt in einem Weißbuch für ein nachhaltiges Pensionssystem erneut Alarm. Für sie reichen die Maßnahmen noch nicht aus. „Eine höhere Lebenserwartung in Kombination mit dem Wechsel der Babyboom-Generation vom Erwerbsleben in den Ruhestand wird weitreichende wirtschaftliche und budgetäre Konsequenzen in der EU haben, da das Potenzial an Wirtschaftswachstum sinkt und der Druck auf die öffentliche Finanzierung steigt.“ Bis 2054 wächst der Anteil der über 60-Jährigen ständig weiter. Erst danach wird er wegen geburtenschwächerer Jahrgänge wieder schrumpfen (siehe Grafik). Die Zahl der Jüngeren, die das Pensionssystem finanzieren, sinkt hingegen bereits jetzt Jahr für Jahr.

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Die Auswirkungen für die Volkswirtschaft sind fatal: Arbeitet die Bevölkerung entsprechend ihrer Lebenserwartung nicht länger, sind immer weniger Finanzmittel für Pensionen vorhanden. Sinken – wie bereits in einigen Krisenländern – in Folge die Pensionszahlungen deutlich und steigen gleichzeitig die Beitragszahlungen der aktiven Erwerbstätigen, hat die Bevölkerung immer weniger Geld für Konsum zur Verfügung. Folglich brechen der Konsum und damit das Wachstum weiter ein.

Die EU-Kommission hat in ihrem Weißbuch davor gewarnt, dass die aktuelle Finanz- und Schuldenkrise die Voraussetzungen für die Finanzierung der staatlichen Pensionssysteme noch verschlechtern werde. Geringeres Wachstum, Budgetprobleme und die Schuldentilgung machten es den europäischen Staaten nämlich zunehmend schwerer, ihre Pensionsversprechen einzuhalten.

Ein Drittel nicht finanziert

Eine Gruppe von Wirtschaftswissenschaftlern und Sozialexperten um den Pensionsexperten Bernd Marin hat davor gewarnt, dass auch der österreichische Staat keine Vorsorge für die Finanzierung getroffen habe. Zwar werde der Anteil der Arbeitnehmer und Arbeitgeber am Pensionssystem sofort einbehalten. Der Staat gebe seinen Anteil aber in der Zwischenzeit meist schon für andere Dinge aus. Deshalb sei „ein Drittel der Pensionen nicht finanziert“. Ein Vorbild könnte hier Schweden sein. Dort werden die Beiträge von allen Seiten bei der jeweiligen Fälligkeit einbehalten und bis zur Auszahlung verzinst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2012)

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