"Pröll und Häupl müssten einander bekriegen"

Proell Haeupl muessten sich
Proell Haeupl muessten sich(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Ein Jahr vor der Wahl gibt Österreichs Politik ein "vernichtendes Bild" ab. Profitieren dürfte Stronach. Aber auch für eine Mittelstands-Partei sieht der Politologe Filzmaier noch Platz.

Anders als Ex-Vizekanzler Willi Molterer "reicht's" SP-Regierungschef Werner Faymann und VP-Vizekanzler Michael Spindelegger (noch) nicht. Vorerst steht der Nationalratswahl-Termin im Herbst 2013. Ein Jahr vor dem geplanten Urnengang beleuchtet DiePresse.com mit Unterstützung des Politologen Peter Filzmaier und des Sozialforschers Peter Ulram die politische Großwetterlage. Und, soviel steht fest: Es ist ein Sturm über der Alpenrepublik aufgezogen, die etablierten Parteien geben derzeit ein "vernichtendes Gesamtbild" ab, so Politologe Filzmaier. Zweidrittel bis Dreiviertel der Österreicher hätten laut Umfragen keine gute Meinung von der Regierung. Und die Oppositionsparteien? Die schneiden genauso schlecht ab.

Der von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ angelegte Korruptionssumpf liefert aber ideale Bedingungen für das Gedeihen neuer Parteien. Frank Stronach etwa, austro-kanadischer Milliardär mit Faible für Schilling, österreichischen Fußball und nun auch heimische Abgeordnete, kann sich auf dem Weg in den Nationalrat "nur selbst schlagen", glaubt Filzmaier, auch wegen Stronachs finanzieller Möglichkeiten. Dass die Piraten das Parlament entern, werde dagegen trotz „Gratiswerbung" der erfolgreichen deutschen Kollegen immer unwahrscheinlicher. Es schickt sich eben nicht für eine Kleinstpartei, sich - wie kürzlich geschehen - noch einmal zu spalten. Filzmaier sieht im Parteienspektrum aber noch Platz, etwa für eine Mittelstands-Partei, die sich der Wählergruppe der privaten Angestellten annimmt, mit Blick auf deren Benachteiligung im Vergleich zu Beamten.

Im Wählerteich der Privatangestellten  - das sind immerhin 1,2 Millionen Menschen in Österreich - fischt zwar unter anderen auch die ÖVP, ihr Arbeitnehmerbund sei aber eine „bessere Beamten-Vertretung", bemängelt Filzmaier.

Die ÖVP und ihr Drei-Länder-Problem

Überhaupt ist die ÖVP ein Dauerpatient. Sozialforscher Ulram sieht die "Länder" als größten Hemmschuh für die Volkspartei. Und Filzmaier konstatiert ein "Drei-Bundesländer-Problem", nämlich das "wahltaktische Katastrophengebiet" Wien („zu groß, um ohne es vorne zu sein") und die ÖVP-Hochburgen Oberösterreich und Niederösterreich. Die „vielleicht effektivsten Parteiorganisationen in Österreich" liefern bei Nationalratswahlen nämlich nicht im selben Ausmaß wie bei Landtagswahlen.

(K)Ein Kampf um den Speckgürtel

Filzmaier sieht einen Grund im „unausgesprochenen Nichtangriffspakt" zwischen Wiens SP-Landeshauptmann Michael Häupl und seinem niederösterreichischen VP-Pendant Erwin Pröll. Schauplatz der kampffreien Zone: Der Speckgürtel um Wien, also der Lebensraum von 400.000 Menschen, die weniger als 20 Autominuten nach Wien haben. Filzmaier: "Eine Schlüsselgruppe". "Die starken Landesorganisationen von der SPÖ in Wien und der ÖVP in Niederösterreich müssten einander dort bekriegen." Wollen sie aber nicht. Der Pakt hilft bei Landtagswahlen, auf Bundesebene schade er aber - und zwar beiden Parteien.

Nicht auszuschließen, dass Österreich so im Herbst 2013 Historisches erlebt, nämlich den ersten ersten Platz bei einer Nationalratswahl für die FPÖ. Ulram: "Die FPÖ spielt derzeit mit SPÖ und ÖVP in einer Liga." Er kann sich vorstellen, dass die Freiheitlichen an der 30-Prozent-Marke kratzen - unter zwei Bedingungen: Stronach tritt doch nicht an, und eine Regierungspartei schlittert in eine Krise. Zumindest für letzteren Punkt stehen die Vorzeichen nicht schlecht: Nach der Volksbefragung über die Wehrpflicht am 20. Jänner muss entweder die SPÖ oder die ÖVP eine gefühlte Wahlniederlage verdauen. Für die ÖVP ist die Situation „schärfer". Filzmaier sinngemäß: Bei der SPÖ fängt Verteidigungsminister Norbert Darabos die Kugeln ab, und der ist ohnehin nicht sonderlich beliebt im Wahlvolk. Bei der ÖVP würde es mit Spindelegger den Parteichef treffen.

"Vielleicht wechseln die auch die Positionen"

Problematisch wird die Regierungsbildung, wenn die Altparteien im Herbst auf keine gemeinsame Mehrheit kommen. Eine Koalition mit der FPÖ gilt als äußerst unwahrscheinlich. Und eine Dreier-Koalition mit den Grünen wäre für die ÖVP aus Ulrams Sicht "politischer Selbstmord", weil sich SPÖ und Grüne in vielen Fragen näher wären. Filzmaier glaubt, dass auch Stronach auf die Teilnahme am Verhandlungsspiel spitzt. Mit Positionen wie der Rückkehr zu nationalen Währungen in der Eurozone ist dort zwar nichts zu holen. Filzmaier: "Zynisch könnte man sagen: Stronach hat ja lauter Politiker in seinen Reihen, die schon die Seiten gewechselt haben. Vielleicht wechseln die nachher ja auch die Positionen."

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