Es gibt gute Nachrichten aus der Sozialdemokratie

Peer Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidat hat kaum Chancen, aber er nützt der Politik, Angela Merkel, der EU und dem Euro. Denn der Mann ist kein Soufflé-Sozialist.

Der Vergleich von Angela Merkel einerseits und Werner Faymann und Michael Spindelegger andererseits macht schon sicher. Mit der Entscheidung der SPD, Peer Steinbrück ins Rennen um die Kanzlerschaft zu schicken, wird Deutschland dem SPÖ-Chef in Wien nun vormachen, wie ein Politiker ganz vorn und links der Mitte auftreten kann: mit Visionen, Ideen und Mut. Also dem österreichischen Regierungsdefizit.

Natürlich hat sich die deutsche SPD nicht wegen dieser drei Merkmale für Steinbrück entschieden, sondern, weil mittlerweile kein anderer Kandidat mehr da ist. Der brave Frank-Walter Steinmeier hat abgesagt, der tapsige Karenz-SPD-Parteichef hat so schlechte Umfragewerte, dass er nun Steinbrück vorschlagen muss. Der hat allerdings auch nicht gerade viel Charisma. Oder wie es Manfred Güllner, Chef des deutschen Meinungsforschungsinstituts Forsa, vor einem Jahr formuliert hat: „Ich glaube, dass die SPD mit Steinbrück null Chancen hat.“ Denn der ambitionierte SPD-Politiker würde in der Finanzkrise wohl eher als „der Hilfsreferent“ Angela Merkels wahrgenommen werden. Steinbrück – ähnlich wie Wolfgang Schüssel hier – wird bei vielen deutschen Medien wenig Begeisterung auslösen, er kann seine Verachtung gegenüber Journalisten nur schlecht verbergen, wie er in seinem Buch „Unterm Strich“ schreibt: „Ich kenne keinen Berufsstand, der so exzellent im Austeilen und so schwach im Einstecken ist wie der Journalismus. In der Boxersprache spricht man von schlechten Nehmerqualitäten – oder einem Glaskinn.“ Da hat er zwar recht, weil er diese Einstellung aber auch in Interviews lebt, wird er es im Wahlkampf schwer haben. Steinbrück hat zudem als Ministerpräsident seine entscheidende Wahl verloren, Nordrhein-Westfalen ging an die CDU Jürgen Rüttgers.

In der Bundespolitik dürfte es ihm ähnlich ergehen: Angela Merkels CDU liegt in allen Umfragen weit und klar voran. Rot-Grün ist – ähnlich wie beim hiesigen Bergklammpärchen Faymann und Eva Glawischnig – in weiter Ferne. Da die FDP aber wieder einmal mehr ernsthafte Existenzängste plagen, könnte unser Nachbar zu der Regierungsform gezwungen werden, die unsere Realverfassung in Österreich immer vorsieht: also die sogenannte Große Koalition – nur mit vergleichsweise guten Spielern.

Das, was Peer Steinbrück sagt und denkt, könnte einigen Einfluss auf die Politik Europas haben. Im Gegensatz zum charmant-realitätsfremden François Hollande, dessen Soufflé-Politik Wirtschaft und Budget weiter belastet, obwohl gerade in Frankreich das Gegenteil notwendig wäre, glaubt ein Peer Steinbrück sehr wohl, dass die Schuldenlast das vielleicht drängendste und gefährlichste Problem für Länder im Allgemeinen und für die Eurostaaten im Besonderen darstellt. Der ehemalige Finanzminister steht klar in der Tradition der pragmatischen Linken wie Tony Blair oder Gerhard Schröder, der ihn auch öffentlich unterstützt. Der linke Parteiflügel, der in der Krise sonst in vielen Ländern die programmatische Führung übernommen hat, ist vorerst abgemeldet. Und: Mit Steinbrück wird wohl auch nicht jene massive Kampagne gegen Merkels (relativ) strenge Euro-Disziplin bei den Themen Griechenland, Eurobonds und Hilfspaketetürme fahren. Diese musste sie zwar ohnehin selbst schon mehrmals aufweichen, aber von Robert Menasse bis Neapel wird sie immer noch realitätsfern und frech zugleich angegriffen. Damit stärkt Steinbrück die deutsche Position und somit wohl auch den Euro. Man kann sich einigermaßen vorstellen, wie verwirrend das alles für Werner Faymann, den Exfreund Merkels und neuen Hollande-Fan sein muss.

Vor allem aber ist Steinbrück ein guter Kritiker der Parteipolitik im Allgemeinen: Er geht mit den Parteien scharf ins Gericht. Dort würden stets nur die Linientreuen befördert. Und die, die sich durch die Niederungen von Parteien und Parteiveranstaltungen gequält hätten. Die, „die Parteiweisheiten bis zur Leugnung des gesunden Menschenverstands aufsagen können“. Das kennen wir doch. In Österreich wird man damit Kanzler, in Deutschland mit der Kritik daran Kanzlerkandidat.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2012)

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