Ex-Finanzminister Peer Steinbrück tritt 2013 als Kanzlerkandidat an. Seine Kandidatur ist eine Kampfansage. Eine große Chance für die SPD, aber auch das größte Risiko.
Das ging schneller als geplant: Die deutschen Sozialdemokraten haben ihre lähmende „K-Frage“ vorzeitig geklärt. Bis zur Niedersachsen-Wahl im Jänner sollte ihre Führungstroika noch halten. Jetzt haben sie statt der drei Kanzlerkandidaten nur noch einen: Ex-Finanzminister Peer Steinbrück. Er soll Angela Merkel bei der Bundestagswahl in einem Jahr schlagen.
Mit welchen Waffen? „Kantig, klug und krisenerprobt“ sei der Herausforderer, verkündet die Werbung für seine druckfrische Biografie. Als „Kavallerie“, die der Schrecken aller Steueroasen gegen die Schweizer einsetzen wollte, wird nun sein neuer Plan zur Bändigung der Banken eingesetzt. Damit lässt es sich gut wildern, bis tief hinein in konservative Wählerschichten. Aber der gezielte Schuss könnte auch nach hinten losgehen, wenn die Partei nicht mitzieht: Als ruppiger Rechts-außen wird Steinbrück in der SPD, wie er selbst eingesteht, „gelegentlich als Granate wahrgenommen“.
Warum also er? „Gabriel kann nicht, Steinmeier will nicht – da blieb nur einer übrig“, twittert höhnisch ein CDU-Politiker. Der freundliche frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier war der Konsenskandidat der Herzen. Aber er leidet unter dem Trauma der schweren Wahlniederlage von 2009. Sein Rückzug enttäuscht die Union, die sich auf einen sanften Wahlkampf mit anschließender Großer Koalition gefreut hat. Parteichef Sigmar Gabriel, den die Parteilinken favorisiert haben, hat einfach zu schlechte Umfragewerte. Zudem setzte er auf das falsche Steckenpferd: Seine Pläne, die Pensionsreformen seiner Vorgänger teilweise rückgängig zu machen, stellte die Partei vor eine interne Zerreißprobe.
Also Steinbrück. Dieser legte im vorigen Herbst einen Früh- und Fehlstart hin, als er Helmut Schmidt vor seinen Karren spannte. Im Fernsehen ließ er den Altkanzler verkünden: „Er kann es.“ Das stieß vielen Roten sauer auf, und Steinbrück hängte sich einen Maulkorb um. Erst seit Kurzem ist er wieder voll da. Seine Kandidatur ist eine Kampfansage: Die SPD will siegen. Noch einmal Finanzminister unter Merkel, das schließt der streitbare Kandidat aus. Rot-Grün sei das Ziel, so Gabriel am Freitag.
Zwar liegt Steinbrück im direkten Duell recht weit hinter der Kanzlerin, mit 36 zu 53 Prozent. Aber es könnte ihm gelingen, ihre Eurorettungspolitik zu entzaubern – weil sie mit viel Geld Brände lösche, statt die Ursache zu bekämpfen: die Macht der Finanzlobby.
Steinbrück, der die liberalen Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 lobpreist und in der Krise Konjunkturprogramme abgelehnt hat, dürfte auch die letzten Modernisierungsverlierer in die Hände der Linkspartei und der Grünen treiben. Aber für viele Menschen in der Mitte der Gesellschaft ist er gut wählbar. Hier liegt eine Gefahr, auf die Merkel reagieren wird, vermutlich in bewährter Form: indem sie, wie schon beim Thema Atomausstieg, die Schlachtrösser anderer zu ihren eigenen macht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2012)