Die Abrechnung mit den Mitläufern

Die Lehre aus dem Birnbacher-Prozess: Wer sich auf den großen Verführer Jörg Haider einließ, muss nun die Rechnung begleichen. Und die kann sehr hoch ausfallen.

Bevor nun die Legendenbildung um Dietrich Birnbacher einsetzt: Auch er war lange Zeit „part of the game". Ein Mitläufer und Profiteur des Systems Haider, der heute noch einen Großteil seiner Patriotenprämie von sechs Mio. Euro auf dem Konto hätte, wenn sein Fall nicht spät, aber doch vor Gericht gelandet wäre. Wo er dann in Raten sein Geständnis ablegte. Wohl auf Anraten seines Anwalts Richard Soyer, der es geschickt verstand, den Birnbacher-Spin in der medialen Öffentlichkeit so zu dessen Gunsten zu drehen, dass dieser letztlich als Kronzeuge dastand, der ein korruptes System zum Einsturz bringt. Den Richter und seine Schöffen beeindruckte das allerdings weniger: Auch Birnbacher soll ein Jahr in Haft.

Es war dieser Richter des viel gescholtenen Landesgerichts Klagenfurt, der sich nicht anlügen ließ und hartnäckig zu Tage förderte, was man immer schon vermutet hat: dass sich Jörg Haiders Brot-und-Spiele-Politik nicht von selbst finanziert. Und dass ebendieser Jörg Haider viele ihm ergebene und ihn bewundernde Mitstreiter- und -läufer hatte, die nicht nur jeden politischen Blödsinn mitmachten und jeden verbalen Unsinn verteidigten, sondern auch seine lockeren Umgang mit Geld übernahmen.

Dies war nicht nur auf seine eigene Partei beschränkt. Vermutlich wollte auch der biedere Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz einmal so richtig frech und unerschrocken sein wie Jörg Haider. Denn der Erfolg gab einem wie Haider ja (fast) immer recht. Martinz brachte das nun eine fünfeinhalbjährige Haftstrafe ein. Ein hartes Urteil, das wohl generalpräventiven Charakter haben soll.

Doch bevor nun die nächste Legendenbildung einsetzt, nämlich, dass die Causa Birnbacher ein ÖVP-Skandal wäre, wie der FPK-Landeshauptmann nicht müde wird zu erklären, sei die hypothetische Frage aufgeworfen: Was hätte eigentlich Jörg Haider geblüht, wenn Martinz fünfeinhalb Jahre bekommt? Denn offensichtlich ist: Haider und seine Entourage haben regiert, als würde ihnen das Land gehören. Die Ermittlungen gegen Uwe Scheuch und Harald Dobernig, denen ebenfalls vorgeworfen wird, Kickback-Zahlungen für die Partei eingefordert zu haben, laufen ja noch. Zudem wurde Scheuch bereits erstinstanzlich wegen Bestechung verurteilt. Auch der Verkauf von Schloss Reifnitz an Frank Stronach ging nicht ohne Provisionszahlungen ab. Wie Gerhard Dörfler auf die Idee kommt, der Umstand, dass das Geld auf das Konto der parteieigenen Agentur und nicht auf jenes der Partei floss, würde ihn und seinesgleichen entlasten, bleibt ein Rätsel. Der Geschäftsführer der Agentur war ebenso Geschäftsführer der Partei.

Für Landeshauptmann Dörfler hat die Sache durchaus eine tragische, persönliche Note. Anfangs nicht ernst genommen und - mitunter auch selbstverschuldet - verhöhnt, hat er mit der historischen Lösung der Ortstafelfrage, an der zuvor ganz andere Kaliber gescheitert sind, unerwartet an Statur gewonnen - auch über das eigene Lager hinaus. Dörfler war auf dem Weg zum respektierten und respektablen Staatsmann (sofern man auf regionaler Ebene von einem solchen sprechen kann). Doch mit den Scheuchs, Dobernigs und Martinz' ist er nun mitgehangen und mitgefangen. Zumal ihm selbst - es gilt die Unschuldsvermutung - auch noch vorgeworfen wird, in seiner Zeit als Straßenbaureferent für Bauprojekte Provisionen für die Partei verlangt zu haben.

Es scheint in Kärnten Usus gewesen zu sein, für den Erhalt öffentlicher Aufträge eine Spende an die regierende(n) Partei(en) zu entrichten. Wobei man wohl darauf wetten darf, dass diese Praxis nicht nur im Süden Österreichs üblich war und ist. Immerhin gab Josef Martinz vor Gericht an, sich sein Parteienfinanzierungsmodell von Ernst Strasser, damals Innenminister und zuvor Landesparteisekretär der ÖVP Niederösterreich, abgeschaut zu haben.

Wer sich auf den großen Verführer Jörg Haider und dessen Methoden einließ, muss damit rechnen, auch Jahre später noch zur Verantwortung gezogen zu werden. Das ist die Lehre aus dem Birnbacher-Prozess. Andere werden möglicherweise noch folgen. Lehren und Prozesse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2012)

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