Dieser Teil der Serie beschäftigt sich mit den Global Playern der Zukunft. Eines der hoffnungsvollen Jungunternehmen des Landes ist Runtastic. Ein Studentenprojekt, das zur florierenden Elektronikfirma wurde.
Wien. Die Handynummer ist andauernd besetzt. Kein Umschalten in die Telefonzentrale, keine nervige mit Musik unterlegte Endlosschleife. „Der Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar“, sagt die Stimme vom Band und dann ertönt das Besetztzeichen. Nach einem Dutzend Anrufen und viele Stunde später hebt doch einer ab. „Gschwandtner“, meldet sich eine Stimme. „Ich hatte schon Angst, die Firma Runtastic gibt es nur noch auf der Homepage.“ „Nein, nein. Tut mir leid, aber es ist ziemlich viel los.“
Es ist immer viel los bei dem 2009 gegründeten Unternehmen in Pasching. Florian Gschwandtner ist einer der vier Geschäftsführer. Er ist 29 Jahre alt, und bevor er erzählt, was so alles los ist, sagt er: „Ich bin der Florian, ich hoff es stört nicht, wenn wir per Du sind.“
App wurde zum Riesenhit
Er plaudert munter drauflos, als sei er immer noch der Student der Fachhochschule Hagenberg. Dort hatte er mit seinen beiden Kollegen Rene Giretzlehner und Christian Kaar im Rahmen eines Projekts GPS-Tracking für Segelboote entwickelt. Die Studenten waren sehr sportlich, Gschwandtner ein leidenschaftlicher Läufer, der fünf- bis sechsmal pro Woche die Laufschuhe strapazierte. Und plötzlich war was los. Alfred Luger kam als Vierter an Bord, und gemeinsam entwickelten sie eine App, nicht für Segler, sondern für Läufer. Mit dieser konnten Sportbegeisterte ihre Läufe dokumentieren, verwalten und via Social Media mit anderen teilen.
Die App schlug ein. „Mittlerweile wurde sie 12,5 Millionen Mal heruntergeladen“, erzählt Gschwandtner. „Allein heuer acht Millionen Mal.“ Will sagen: Es geht erst richtig los. In mehr als 100 Ländern der Welt wird die App aus Oberösterreich von Sportbegeisterten aufs Smartphone geladen. Mittlerweile gibt es die Software auch für Radfahrer, Wanderer und Nordic-Walker.
Und trotzdem: „So ein kleines, ein mal ein Zentimeter großes Kasterl, was ist das schon?“, fragt Gschwandtner. „Wir wollen eine internationale Brand kreieren“, sagt er. Dafür brauche es Hardware, also Produkte mit einem Logo drauf, die man im Kaufhaus bekommt. An diesem Punkt sind die Endzwanziger von Runtastic nun angekommen. Und es ist ein heikler Punkt, das weiß auch Gschwandtner. „Jetzt geht es auch um Working Capital“, sagt er. Hat man bis dato vor allem Hirnschmalz investiert, so ist es jetzt bares Geld. Über das Gschwandtner nicht gerne redet. „Ab heuer werden wir unsere Umsätze veröffentlichen“, sagt er. Die kolportierte „mehr als eine Millionen Euro“ im Vorjahr dementiert er aber nicht.
Auf nach Amerika
Mit Hilfe eines Uhrenherstellers aus Wels entwickelten sie für professionelle Sportler, die kein iPhone mitschleppen wollen, eine spezielle Uhr. Erst am Sonntag präsentierten sie ihren Pulsgurt, der per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden ist und Herzfrequenz und vieles mehr aufzeichnet.
Aus einer Idee zu einer Software sind also Handelswaren geworden. „In Österreich gibt es die Dinger etwa beim Hartlauer“, erzählt Gschwandtner. „Wir reden gerade mit einem großen Elektromarkt in Deutschland. Das heißt: Wir verhandeln.“ Noch hat Gschwandtner die geschniegelte Managersprache nicht implementiert. Noch immer klingt das Ganze wie ein Teil einer Seminararbeit.
Ist er schon ein Global Player? „Wir sind ein europäischer Player“, antwortet er. Und weil es sich so ergeben hat und man mit Händlern ins Geschäft gekommen ist, gibt es die Produkte auch in Australien und Südafrika.
Und Amerika? „Das war für uns immer ein großes Ziel“, sagt der 29-Jährige. „Aber wir haben gewartet, bis wir es uns leisten können. Bis wir in Europa einen soliden Markt aufgebaut haben.“ Nächstes Jahr soll es endlich so weit sein. Ein kleines Büro in San Francisco gibt es schon. Und bei der CES in Las Vegas, der Customer Electronics Show im Jänner, werden sie mit „drei bis fünf Neuheiten aufwarten“. Bis dahin ist noch viel los.
Mitarbeiterstand verdoppelt
In Pasching arbeiten 45 Mitarbeiter, die Zahl der Beschäftigten verdoppelt sich quasi jährlich. Und Gschwandtner läuft mittlerweile weniger und fliegt dafür etwas mehr. Heute geht es nach Hongkong und weiter zu den Produktionsstandorten in China. Was er dort macht? „Qualität gewährleisten“, antwortet er. „Wir können es uns nicht leisten, irgendetwas zu produzieren“, sagt er.
Alles müsse edel sein: das Design, die Verpackung. Worum es geht? „Es geht um den Wow-Effekt“, sagt der Unternehmer: „So wie bei Apple.“
Auf einen Blick
Vier Studenten aus Oberösterreich gründeten 2009 die Firma Runtastic. Sie hatten eine App entwickelt, die Läufern dient, ihre Aktivitäten aufzuzeichnen, zu verwalten und mit anderen via Social Media zu teilen. Mittlerweile vertreibt das Unternehmen auch Uhren und Pulsgurte in Europa, Australien und Südafrika.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2012)