Kommt in Österreich schon bald der Kennzeichen-Adel?

Eine künstliche Revitalisierung einer Zwei- oder gar Dreiklassengesellschaft, wie sie manchen vorschwebt, ist strikt abzulehnen.

Ich habe es als eine absolute Ungerechtigkeit empfunden, dass gewissen österreichischen Staatsbürgern, gemeint sind die Angehörigen der Familie Habsburg-Lothringen, bestimmte Rechte vorbehalten geblieben sind, nämlich das passive Wahlrecht für das Amt des Bundespräsidenten.

Diese Benachteiligung habe ich als Relikt der Ersten Republik angesehen und war der Meinung, dass der österreichische Staat heute so in sich gefestigt ist, dass er auf die diesbezügliche Habsburger-Hatz durchaus verzichten kann.

Der „Bahnsteig-Adel“

Vor allem aus diesem Grund, aber auch aus Freundschaft habe ich vor Monaten eine Biografie über Ulrich Habsburg-Lothringen geschrieben. Ich wollte ihn in seinem gerechten Bestreben, dass der Ausschluss von der Wählbarkeit für das Amt des Staatsoberhaupts aufgehoben wird, unterstützen. Es ist notorisch, dass die Bundesverfassung geändert wurde und nun jeder österreichische Habsburger Bundespräsident werden kann. Zu den Restitutionsforderungen der Habsburger, die von rund 300 Millionen Euro ausgehen, habe ich mich nie geäußert, so auch nicht in der Ulrich-Biografie, und habe es auch in Zukunft nicht vor.

Die ersten Adelsbriefe, die den Neugeadelten zum Beweis ihrer Standeserhöhung übergeben wurden, wurden von Kaiser Karl IV. erteilt. Die letzten österreichisch-ungarischen Adelsdiplome stammen von Kaiser Karl, dem „Letztkaiser“, der bis zum 11. November 1918 regierte und angeblich noch am Bahnsteig seine treuen Diener „veredelte“ – weshalb unter Historikern nicht ganz ernst über den Bahnsteig- oder Perron-Adel geschmunzelt wird.

Ein Fürst für 100.000 Euro

Nun wartet Ulrich Habsburg-Lothringen mit einem Vorschlag auf, der – nach dem Briefadel – als Kennzeichen-Adel in die Geschichte eingehen könnte. In seiner – mittlerweile berühmten – Rede bei den 21. Braunauer Zeitgeschichte-Tagen meinte er sinngemäß, die Republik(!) könnte den zeitbegrenzten Wunschadel verkaufen – einen Nobilitierten um 5000 und einen Fürsten um 100.000 Euro. Außerdem hat Ulrich Habsburg damit argumentiert, dass die Annullierung des Adelsaufhebungsgesetzes der Polarisierung zwischen Adel und Bürgern entgegenwirken würde.

Republikanische Großtat

Ich bin der Meinung, dass die Abschaffung des Adels mit dem Gesetz vom 3. April 1919 eine demokratische und republikanische Großtat war.

Gerade mit der Abschaffung von ererbten Privilegien wurde der gesellschaftlichen Polarisierung auf eine vernünftige und „kostenfreie“ Art entgegengewirkt. Wer einmal einen „Adelsauftrieb“, zu dem auch Normalsterbliche zugelassen waren, erlebt hat, wird mir recht geben, und verstehen, warum ich die künstliche Revitalisierung einer Zwei- oder gar Dreiklassengesellschaft strikt ablehne.

Zutiefst österreichische Familien

Jeder, der geschichtlich halbwegs beleckt ist, weiß, wer die zutiefst österreichischen Familien Attems, Czernin, Esterházy, Habsburg, Manzano, Meran oder Schwarzenberg waren und sind. Und jenen, die Habsburg oder Lothringen weder buchstabieren noch schreiben können, ist auch mit dem 5000-Euro-Wunsch-Kennzeichen-Adel nicht zu helfen. Beschränken wir uns in der Republik daher demokratisch auf die schönen und selbst erworbenen Titel vom Herrn Diplomingenieur über die Frau Doktor bis zum Herrn Professor.

Prof. Dr. Janko Ferk ist Jurist, Schriftsteller und lehrt an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Univerza v Celovcu. Er ist der Verfasser der Biografie „Ulrich Habsburg-Lothringen. Aristokrat, Demokrat, Grüner“ (Styria Verlag, 2011).


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.