Unglückskapitän Francesco Schettino trat am Montag erstmals vor dem Gericht in Grosseto auf. Die Reederei Costa versucht, ihm die alleinige Schuld zuzuschieben. Zunächst sind einmal die Gutachter am Wort.
Rom. Der „Captain's Lunch“ für Francesco Schettino bestand am Montag aus einem belegten Brötchen, an der Bar im Stehen verzehrt. So heißt es jedenfalls. Denn die Öffentlichkeit hat noch keinen Zutritt zum Prozess um die Havarie des Kreuzfahrtschiffs „Costa Concordia“, bei der im Jänner nach einer Kollision mit einem Felsen 32 Menschen starben.
Deshalb gibt es über das mit Spannung erwartete erste Auftreten des Kapitäns nur Gerüchte: Gelächelt habe er, entspannt habe er gewirkt. Und einem Schiffbrüchigen soll er die Hand geschüttelt haben, der als Geschädigter am Prozess teilnimmt und zu Beginn der Verhandlung auf Schettino zuging: „Hoffen wir, dass die Wahrheit schnell gefunden wird“, soll der Mann gesagt haben. Und Schettino habe geantwortet: „Ja, sie muss gefunden werden.“
Im Vorverfahren ist nach italienischem Recht keine Öffentlichkeit vorgesehen. Die auf eine Woche angesetzte Verhandlung spielt sich aus Platzgründen im Theater der toskanischen Stadt Grosseto ab. Sie dient vor allem dazu, die Daten der „Black Box“ ins Verfahren einzubringen und Gutachter anzuhören.
Gekommen waren neben Schettino am Montag drei weitere der neun Beschuldigten: der Erste Offizier Ciro Ambrosio, der bis wenige Minuten vor dem Unglück das Schiff kommandierte, Schiffsoffizier Salvatore Ursino, sowie der diensthabende Krisenmanager der Reederei Costa, Roberto Ferrarini. Mit ihm hat sich Schettino nach der Havarie telefonisch am intensivsten beraten – während er der Küstenwache den wahren Umfang der Katastrophe noch verheimlicht hat.
Warum drang Wasser so rasch ein?
Die Strategien der Anwälte scheinen sich darin zu unterscheiden, dass die Reederei Costa ihrem seit Juli entlassenen Kapitän alle Schuld zuschieben will, während Anwälte der Überlebenden auch die Reederei in die Pflicht nehmen wollen. Völlig unzufrieden mit dem Verfahren ist der Verbraucherschutzverband Codacons, der auf möglichst hohe Schadenersatzsummen abzielt. Er sieht im Gutachten der Experten zwar den Hergang der Havarie geklärt, nicht aber den Grund dafür, warum 32Passagiere sterben mussten.
Der Verband fordert ein ergänzendes Gutachten über mögliche technische Mängel des Schiffs und darüber, weshalb das Wasser über die Liftschächte so schnell eindringen und den Weg zu den rettenden Booten abschneiden konnte: „Die 32 Menschen könnten noch leben“, sagt Ingenieur Bruno Neri von der Universität Pisa, der als Sachverständiger für Codacons arbeitet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2012)