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Unter Jacques Santer trat die gesamte Kommission zurück

Unter Jacques Santer trat
Jacques Santer(c) EPA (Damien Meyer)
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Ein Korruptionsskandal hatte 1999 weitgehende Folgen. Eine davon war die Gründung der Antikorruptionsbehörde Olaf.

Brüssel/Wien/Wb. In den späten Neunzigerjahren waren dem Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments Unregelmäßigkeiten in der EU-Kommission aufgefallen. Es folgten intensive Untersuchungen, bei denen der österreichische Europaabgeordnete Herbert Bösch (SPÖ) eine zentrale Rolle spielte. Anfang 1999 war dann klar, dass eine der Kommissarinnen, die Französin Edith Cresson, ihrem Zahnarzt ein einträgliches Nebengeschäft als Berater der europäischen Behörde zugeschanzt hatte. Darüber hinaus gab es weitere eigenartige Abrechnungen externer Mitarbeiter. Kommissionspräsident Jacques Santer kam einem Misstrauensantrag im Europaparlament zuvor und trat gemeinsam mit seinem gesamten Gremium am 15. März 1999 zurück.

Der Fall hatte nicht nur politisch weitgehende Folgen, sondern auch für die interne Haushaltspolitik und die Kontrolle der EU-Institutionen. Denn auf Drängen des Europaparlaments wurde eine neue unabhängige Antikorruptionsbehörde eingerichtet. Sie folgte der bisherigen Institution Uclaf, die sich als ineffizient herausgestellt hatte. Unter ihrem Namen „Olaf“ (Office Européen de Lutte Anti-Fraude) untersucht die neue Behörde seit April 1999 hunderte Verdachtsfälle, in denen EU-Gelder möglicherweise falsch verwendet wurden. Die Olaf-Ermittler dürfen Hausdurchsuchungen vornehmen, sie dürfen aber selbst keine Strafen oder Konsequenzen für ein Fehlverhalten festlegen. Dafür müssen sie die Fälle den jeweils zuständigen nationalen Justizbehörden übertragen.

Dass Olaf ein besonders Augenmerk auf den Tabakhandel richtet und damit auch die Arbeit des zurückgetretenen Kommissars John Dalli kontrollierte, ist kein Zufall. Seit Jahren geht die Behörde dem Tabakschmuggel nach und schreckt auch vor Untersuchungen bei großen Tabakkonzernen nicht zurück.

Als die Antikorruptionsbehörde 2003 Schwarzkonten beim Statistischen Amt der EU (Eurostat) ausfindig machte, kam die damalige Prodi-Kommission in Bedrängnis. Zu einem Rücktritt einzelner Kommissare oder gar des gesamten Gremiums kam es nicht, obwohl es Hinweise gab, dass die Kommission während der Untersuchungen Druck auf Olaf ausgeübt hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2012)