Im Vorfeld war die Aufregung groß: Wenige Tage nach der Affichierung der Plakate für die Ausstellung "Nackte Männer. Von 1800 bis heute" im Oktober entschloss sich das Wiener Leopold Museum dazu, die Genitalien auf dem Werbesujet, das ein Werk der französischen Künstler Pierre & Gilles zeigt, zu überkleben. Die dazugehörige Ausstellung, die am 19. Oktober eröffnete, ist aber alles andere als aufdringlich: Sie setzt sich ganz seriös mit dem männlichen Akt in der Kunstgeschichte der vergangenen 200 Jahre auseinander.Im Bild: Pierre & Gilles, Vive la France, 2006 (c) Privatsammlung, Courtesy Galerie Jérôme de Noirmont
Die bis 4. März verlängerte kunsthistorische Themen-Schau ein ein voller Erfolg für das Leopold: "Nackte Männer" wird es zumindest unter die Top Drei im Allzeit-Ranking des Hauses schaffen. Am 18. Februar gab es eine besondere Aktion im Leopold: Einen "Nacktabend".
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Am diesem Abend konnte man die Schau auch nackt sehen. Man trägt nach wiederholten Nachfragen von Nudisten-Vereinen Rechnung, heißt es aus dem Leopold. Laut Angaben des Museums traten Montagbend rund 300 Personen den Ausstellungsobjekten hüllenlos gegenüber.
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Die Besucher seien teils aus Österreich, aber auch aus Deutschland, der Slowakei oder Russland gekommen, und bekleidet seien "lediglich die Museumsarbeiter, die doch beachtlich vielen Medienvertreter und die Kunstvermittler" gewesen, so ein Museumssprecher.
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Eine Gruppe war so begeistert, dass sie sich nach dem Ende ihrer Führung trotz der winterlichen Temperaturen ins Freie begab, um sich vor der "Mr. Big"-Skulptur von Ilse Haider im Haupthof des Museumsquartiers fotografieren zu lassen. Auch in den Medien wurde "Nackte Männer" fleißig besprochen. Weit über 1000 Zeitungs- und Zeitschriftenartikel in unzähligen Sprachen wurden gezählt.
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Rund 300 Exponate umfasst die Schau, die sich sowohl chronologisch wie auch thematisch der bisher kaum explizit in den Mittelpunkt gerückten männlichen Nacktheit in der Kunst widmet. Im Bild: Anton Kolig, Sitzender Jüngling (Am Morgen), 1919 (c) Leopold Museum, Wien, Inv. 406
(c) Manfred Thumberger
Die Entwicklung des nackten Mannes als Thema der Kunst von der rein ästhetischen, eher harmlosen Darstellung, in denen die Penisse auch oft (halb) verdeckt wurden, bis hin zur expliziten Thematisierung sexueller Handlungen zeigt sich im Laufe der Schau nicht immer jugendfrei.Im Bild: François-Léon Benouville, Achills Zorn, 1847 (c) Musée Fabre de Montpellier
Besonders in den Werken nach 1945 tritt die Wirkung von Nacktheit immer stärker in den Vordergrund, was zartbesaitete Besucher (oder Kinder) durchaus verstören könnte. Jean Cocteau, llustration zu Jean Genet, Querelle de Brest, 1947 (c) Privatsammlung (c) VBK, Wien 2012
Als Vorbote empfängt bereits seit zwei Wochen vor Ausstellungseröffnung Ilse Haiders überlebensgroße Skulptur "Mr. Big" im Museumsquartier die Besucher. Im Bild: Ilse Haider, Mr. Big, Installation im Innenhof des MuseumsQuartiers, 2012 (c) Courtesy Galerie Steinek, Wien
Den Anfang von "Nackte Männer. von 1800 bis heute" macht ein Prolog, der über 5000 Jahre reicht und den Bogen von der ägyptischen Statue des Snofrunefer (um 2400 v. Chr.) über den "Jüngling vom Magdalensberg" (Abguss aus dem 16. Jh.) und Auguste Rodins "Das eherne Zeitalter" (1875/76) bis zu Fritz Wotrubas "Torso" (1930) und schließlich Heimo Zobernigs Schaufensterpuppe ("Ohne Titel", 2011) spannt. Im Bild: Drei von fünf Figuren aus dem Prolog "Nackte männer" (c) Standfigur des Hofbeamten Snofrunefer (um 2400 v. Chr.) (c) Kunsthistorisches Museum, Wien August Rodin, Das eherne Zeitalter (1875/76) (c) Kunsthaus Zürich Heimo Zobernig, ohne Titel (2011) (c) VBK, Wien 2012
Diesem opulenten Empfang folgt der Schwerpunkt "Klassizismus und Aufklärung", der Themen wie den "Aktsaal und die Folgen", "Das antike Ideal" und "Helden als kulturelles Muster" umfasst. Im Bild: Charles Paul Landon, Dädalus und Ikarus, 1799 (c) Dépôt du musée du Louvre au musée des Beaux-arts et de la Dentelle d'Alençon, 1861
Im Schwerpunkt "Klassische Moderne" widmet man sich Themenblöcken wie "Beisammensein im Bade", wo etwa Paul Cezannes "Sieben Badende" (um 1900) oder Edvard Munchs "Badende Männer" (1915) gezeigt werden. Edvard Munch, Badende Männer, 1915 (c) Munch Museum, Oslo (c) Munch Museum, Oslo/Munch-Ellingsen Group/VBK, Wien 2012
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Egon Schiele, Richard Gerstl und Anton Kolig sind mit mehreren großteils hauseigenen Werken im Block "Wien um 1900" zu sehen. Im Bild: Egon Schiele, "Prediger" (Selbstakt mit blaugrünem Hemd), 1913 (c) Leopold Museum, Wien, Inv. 2365
(c) Manfred Thumberger
Einen Kontrapunkt setzt der dritte Schwerpunkt mit Kunst nach 1945: "Weibliche Blicke" auf den männlichen Akt liefern etwa Elke Krystufek mit dem großformatigen "You don't want to be one of those Picabias you say" (2009), Maria Lassnings "Woman Laokoon" (1976) oder die Fotoarbeit "Alone in the Brown Room" (1998) von Annika von Hausswolff. Maria Lassnig, Woman Laokoon, 1976 (c) Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum
(c) N LACKNER
Der "männliche Blick" ist durch Positionen von Günter Brus, Andy Warhol oder David Hockney vertreten. Andy Warhol, Querelle, um 1982 (c) Privatsammlung/ VBK, Wien 2012
Nicht nur in Wien , auch in Linz ist die männliche Nacktheit Ausstellungsthema: Elisabeth Leopold bedauert, dass sie das Lentos in Linz, das vom 26. Oktober bis 17. Februar die Schau "Der nackte Mann" zeigte, nicht zu einer Zusammenarbeit bereit gewesen sei. Richard Gerstl, Selbstakt mit Palette, 1908 (c) Leopold Museum, Wien, Inv. 651
Zur Plakatüberklebung hielt Peter Weinhäupl, kaufmännischer Direktor, fest, dass "der rote Balken keinen Rückzug bedeutet", vielmehr wolle man damit einerseits jenen entgegenkommen, die Anstoß daran fanden, andererseits auch auf die Ausstellung neugierig machen. Elmgreen & Dragset, Shepherd Boy (Tank Top), 2009 (c) Courtesy Galleri Nocolai Wallner / VBK Wien 2012
Der museologische Direktor Tobias Natter fasste zusammen: "Sex sells, das ist wahr. Aber das wäre auch einfacher zu haben gewesen." Im Bild: Wilhelm von Gloeden, Flötenkonzert. Fotopostkarte, Verlag Adolph Engel, Berlin 1905 (c) Privatsammlung WEITER: Mehr Bilder aus der Ausstellung
Martin Ferdinand Quadal, Der Aktsaal der Wiener Akademie im St.-Anna-Gebäude, 1787 (c) Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien
Im Bild: Joseph-Désiré Court, Tod des Hippolytos, 1828 (c) Musée Fabre de Montpellier Agglomération
"Nackte Männer" im Leopold Museum. 19. Oktober bis 4. März 2013. Louise Bourgeois, Fillette (Sweeter Version), 1968, Abguss 1999 (c) Ursula Hauser Collection, Switzerland (c) VBK, Wien 2012
Ganz seriöse ''Nackte Männer''
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