Handel: Zahlt Handelsriese H & M fairen Lohn?

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Gewerkschaften aus Österreich, Deutschland und der Schweiz wollen gemeinsam gegen die Lohnpolitik des Handelsriesen aus Schweden vorgehen. Stein des Anstoßes ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs.

Wien/JUK. Karl Proyer scharrt bereits in den Startlöchern. „Wir haben mit H & M noch eine Rechnung offen“, sagt der Vize-Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten. Und um diese zu begleichen, hat die Arbeitnehmervertretung sich Unterstützung aus dem Ausland geholt.

Die GPA-DJP will mit den Gewerkschaften aus der Schweiz und Deutschland (Unia beziehungsweise Verdi) Stimmung gegen den Moderiesen aus Schweden machen. Was genau geplant ist, verrät Proyer noch nicht. „Sie können aber davon ausgehen, dass es eine ordentliche Kampagne wird“, sagte er am Dienstagabend vor Journalisten.

„Falsche Einstufung im KV“

Stein des Anstoßes ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, wonach Kassierinnen im Handel in die Beschäftigungsgruppe drei des Kollektivvertrags einzustufen sind statt in die Gruppe zwei. Der Mindestlohn beträgt für beide Beschäftigungsgruppen 1350 Euro brutto. Die Gehaltskurve von Kassiererinnen steigt allerdings steiler an. Nachdem das Höchstgericht der Beschwerde einer Angestellten recht gab, die sich falsch eingestuft fühlte, stuften große Ketten wie XXXLutz, Kika oder Baumax ihre Mitarbeiter neu ein. Rewe (Billa, Merkur, etc.) und Spar betonten, ihre Mitarbeiter ohnehin „richtig“ entlohnt zu haben.

Nur an H & M beißen sich die Gewerkschafter offenbar die Zähne aus. Berichten zufolge hat auch der Moderiese aus Schweden auf das OGH-Urteil reagiert, allerdings mit seiner ganz eigenen Strategie: Die Geschäftsführung soll eine Weisung an die Leiter der Filialen erteilt haben, Mitarbeiter weniger als die Hälfte ihrer Arbeitszeit an der Kassa zu beschäftigen. Man denke nicht daran, die Einstufung in die höhere Gehaltsstufe zu vollziehen.
Offiziell will der Marktführer im heimischen Modehandel (vor C & A und Peek & Cloppenburg) davon nichts wissen. Man halte sich an alle gesetzlichen und im Kollektivvertrag festgelegten Bestimmungen.

Das Urteil aus dem Vorjahr jedoch beziehe sich auf „reine Kassenkräfte in Supermärkten“, ein Berufsbild, das es im schwedischen Unternehmen nicht gebe – ergo: Das Urteil betreffe H & M nicht. Die Mitarbeiter seien nicht überwiegend an der Kassa beschäftigt, sondern würden „vielfältige Tätigkeiten“ ausüben. Mit der Gewerkschaft befinde man sich bereits in einem „offenen Dialog“ und sei zu konstruktiven Gespräch bereit.

Kommenden Mittwoch fällt der Startschuss für die Kollektivvertragsverhandlungen im Handel. Ausgehend von einer Inflationsrate von 2,7 Prozent erhofft sich die Gewerkschaft eine „deutliche Reallohnerhöhung“. Die Arbeitnehmervertreter fordern, dass für die sechste Woche Urlaub, die ab 25 Dienstjahren gewährt wird, auch frühere Dienstverhältnisse anerkannt werden.

Auf einen Blick

Kassamitarbeiter von H & M sollen zu wenig Geld erhalten, weil sie der falschen Beschäftigungsgruppe im Kollektivvertrag zugeteilt sind. H & M argumentiert, dass es sich bei den Mitarbeitern nicht um Kassierinnen handelt, ein OGH-Urteil, das die Einstufung in eine höhere Beschäftigungsgruppe vorschreibt, sie also nicht betrifft. Gewerkschaften aus der Schweiz, Österreich und Deutschland planen nun eine Negativkampagne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2012)

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