Darf man Kunden ablehnen? Neuer Anlauf für strittiges Gesetz

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wer mit jemandem wegen seiner Weltanschauung, Religion, des Alters oder der sexuellen Orientierung keinen Vertrag schließen will, soll laut Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz Schadenersatz leisten müssen.

Wien. Vor einem „autoritären Staat“ hatte Theodor Tomandl, emeritierter Professor für Arbeits- und Sozialrecht, im Jahr 2010 gewarnt. Damals sah ein Gesetzesentwurf vor, dass Geschäftsleute und Vermieter in ihrer Kundenauswahl beschränkt werden. Die ÖVP war dann schließlich doch gegen den Entwurf, er verschwand in der Schublade. Doch nun ist er wieder da. Im Sommer wurde der Entwurf vom Sozialministerium von Rudolf Hundstorfer (SPÖ) an den Nationalrat geschickt. Inzwischen endete bereits die Begutachtungsfrist.

Es gebe nur kleine Änderungen gegenüber dem alten Entwurf, sagt Tomandl. Die Warnung vor einem „autoritären Staat“ halte er aufrecht, betont Tomandl im Gespräch mit der „Presse“. „Es ist einfach eine weitgehende Beseitigung der Privatautonomie“, sagt der Jurist. Bereits jetzt darf bei Dienstleistungen oder Vermietungen niemand wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit oder seines Geschlechts benachteiligt werden. Nun aber schreibt die Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz vor, dass auch niemand mehr wegen der Religion, der Weltanschauung, des Alters, des Familienstands oder der sexuellen Orientierung anders behandelt werden darf. Das würde einige Problemfälle aufwerfen: Etwa wenn ein Anwalt aus Glaubensgründen nicht jemanden vertreten möchte, der gegen eine Kirche prozessiert. Oder wenn jemand seine Wohnung nicht an Kommunisten vermieten will (Kommunismus gilt als Weltanschauung). Auch ein Wirt, der keine jungen Gäste haben möchte, weil er auf Senioren spezialisiert ist, könnte Probleme bekommen.

Sie alle müssten Zahlungen für Schadenersatz und Schmerzengeld für die Kränkung der abgelehnten Kunden fürchten, wenn sie zivilgerichtlich verurteilt werden.

Das Sozialministerium betont, dass man einen „gesellschaftlichen Fortschritt“ erreichen möchte. Man wolle etwa verhindern, dass ein Hotel Homosexuelle ausschließe. Zudem gebe es im Gesetz eine Ausnahmebestimmung, laut der eine unterschiedliche Behandlung von Gruppen dann zulässig ist, wenn ein „rechtmäßiges Ziel“ dahintersteht. Doch wann diese Ausnahmebestimmung nun greift und wann nicht, müssten im Einzelfall die Gerichte festlegen. Das Kabinett Hundstorfers verweist jedenfalls darauf, dass der Entwurf bereits mit den Sozialpartnern akkordiert sei. Die ÖVP zögert hingegen noch: Aus dem Kabinett von ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hieß es zur „Presse“ bloß, dass man abwarten wolle, wie nun der endgültige Entwurf des Sozialministeriums aussehen wird.

Hässliche bleiben diskriminiert

Jurist Tomandl wundert sich, dass Österreich den Diskriminierungsschutz ausbauen will, zumal eine derartige EU-Vorgabe bisher nur diskutiert, aber nicht beschlossen wurde. Er warnt vor Heucheleien: So könnte man Kunden künftig einfach falsche Gründe für die Nichtberücksichtigung nennen. Zulässig bliebe es auch nach der Novelle, jemandem zu sagen, dass man ihn wegen seiner Hässlichkeit nicht als Mieter wolle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2012)

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