Costa Concordia: Kapitän bestreitet Flucht vom Schiff

"Er musste wegen einer Reihe von Umständen aussteigen", verteidigen ihn seine Anwälte. Die Reederei wirft Schettino "Unwahrheiten" vor.

Die Verteidigung von Kapitän Francesco Schettino hat am Freitag vor Gericht bestritten, dass dieser das sinkende Kreuzfahrtschiff Costa Concordia verlassen habe, bevor alle Passagiere in Sicherheit gebracht werden konnten. "Schettino hat das Schiff nicht verlassen, er musste wegen einer Reihe von Umständen aussteigen", erklärten die Verteidiger beim Beweissicherungstermin zur Havarie des Kreuzfahrtschiffes vor der Insel Giglio am 13. Jänner. Die Verteidiger hoben "technische Mängel" an Bord des Schiffes hervor.

Der 52-jährige Schettino erschien auch am Donnerstag zum fünften Verhandlungstag in der toskanischen Stadt Grosseto, in der seit Montag das Beweissicherungsverfahren im Zusammenhang mit der Havarie des Kreuzfahrtschiffes fortgesetzt wird. Er bat das Gericht, sich zu Wort melden zu können, doch Untersuchungsrichterin Valeria Montesarchio gab ihm nicht die Erlaubnis dazu. "Ich fürchte, dass die Wahrheit nicht ans Licht kommt", antwortete der Kapitän auf die Frage eines TV-Journalisten, ob er die Haft befürchte.

Vor fünf Monaten, in der Nacht des 13. Jänner, lief die Costa Concordia auf Grund. Mehr als 4200 Menschen mussten in einer chaotischen Rettungsaktion das havarierte Schiff verlassen, 32 kamen ums Leben. Nun soll das Kreuzfahrtschiff, nach wochenlanger Verzögerung, geborgen werden. (c) EPA (ENZO RUSSO)

Es handelt sich dabei um die schwierigste Bergungsaktion, die je durchgeführt wurde. Sie wird mindestens 300 Millionen Euro kosten. Selbst die Reederei Costa Crociere in Genua, die die Kosten tragen muss, nennt sie „ein zyklopisches Projekt“. (c) EPA (ENZO RUSSO)

Gemeinsam mit der italienischen Firma Micoperi will das US-Spezialunternehmen Titan Salvage den 290 Meter langen und fast 50.000 Tonnen schweren Stahlrumpf aufrichten, ehe das Schiff im Ganzen in einen Hafen geschleppt und zerlegt wird. (c) REUTERS (ARND WIEGMANN)

Der Koloss liegt, fast im 90°-Winkel geneigt, vor der Hafeneinfahrt der kleinen toskanischen Insel Giglio. Die größte Gefahr ist, dass das Wrack abrutscht und vollständig versinkt. Seit der Unglücksnacht hat es sich immer wieder leicht nach unten bewegt. (c) EPA (ENZO RUSSO)

Eine Rettungsplattform mit langen Greifarmen ist bereits im Einsatz. Bis Ende August, so sieht es der Zeitplan vor, soll die Concordia so gesichert werden, dass sie nicht weiter abrutschen kann. (c) EPA (CRISTIANO PELLEGRINI)

Sechzig Betonpfähle sollen auf der dem Land zugewandten Seite in den Meeresboden getrieben werden, an denen das Wrack in einem komplizierten Verfahren mit hydraulischen Stahlseilen befestigt werden soll. (c) EPA (ENZO RUSSO)

Auf der Seite zum offenen Meer wird unter Wasser eine Plattform im Meeresboden verankert, auf ihr sollen Kräne stehen, die das Schiff aufrichten. (c) AP (Pier Paolo Cito)

Bis mindestens Februar 2013 wird es wohl dauern, bis die Arbeiten abgeschlossen sind. Wenn alles gut geht. „Wir sind zuversichtlich, dass wir das schaffen werden“, beschwichtigte Richard Habib, Geschäftsführer von Titan Salvage. (c) EPA (ENZO RUSSO)

Bei der Havarie des 290 Meter langen Kreuzfahrtschiffes am 13. Jänner kamen 30 Menschen ums Leben. Zwei gelten immer noch als vermisst (Im Bild eine Aufnahme vom 15. Jänner). Kapitän Francesco Schettino steht seither unter Hausarrest. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und Verlassen seines Schiffes während der nächtlichen Evakuierung vor. (>> Link: Chronologie der Havarie) (c) AP (Andrea Sinibaldi)

"Hafenbehörden zu spät informiert"

Die Reederei Costa Crociere, Betreiber der Costa Concordia, wies inzwischen die Vorwürfe Schettinos zurück, nach denen der Chef des Krisenmanagements der Costa Concordia zu lange gezögert habe, bis er die Hafenbehörden alarmiert und Schlepper an den Unglücksort angefordert hatte. Nicht die Reederei, sondern der Kapitän hatte die Pflicht, sich in der Unglücksnacht mit den Hafenbehörden in Verbindung zu setzen, berichtete Costas Rechtsanwalt Marco De Luca.

Der Rechtsanwalt der Reederei warf Schettino "Unwahrheiten" vor. "Viele seiner Aussagen vor Gericht scheinen nicht ernst zu nehmen zu sein", kritisierte De Luca. Die Reederei hatte den Kapitän im Juli nach einem internen Verfahren entlassen. Dagegen reichte Schettino Einspruch ein. "Das Verlassen des Schiffes ist ein Verbrechen und ein Grund für die Entlassung", sagte De Luca.

Bei der Havarie des 290 Meter langen Kreuzfahrtschiffes kamen 30 Menschen ums Leben. Zwei gelten immer noch als vermisst. Die Costa Concordia war zu nahe an die Insel Giglio herangefahren, hatte einen Felsen gestreift und war mit mehr als 4.200 Personen an Bord, darunter 77 Österreicher, gekentert.

13. Jänner 2012, 19.00 Uhr: Das Schiff läuft aus dem italienischen Hafen Civitavecchia zu einer einwöchigen Mittelmeer-Kreuzfahrt aus. An Bord sind 4.232 Passagiere und Besatzungsmitglieder. Im Bild: Eine Aufnahme der Costa Concordia aus dem jahr 2006. (c) EPA (STR)

ca. 22.00 Uhr: Das Schiff rammt einen Felsen vor der Insel Giglio. Die Reederei wirft Kapitän Francesco Schettino später vor, er habe eigenmächtig den Kurs geändert. Er soll zum Zeitpunkt des Unglücks auf der Brücke gewesen sein und das Schiff bis auf 150 Meter ans Ufer herangesteuert haben. (c) EPA (GIGLIONEWS)

22.30 bis 23.00 Uhr: Wasser dringt ein, das Schiff gerät aus dem Gleichgewicht. Es läuft rund 100 Meter vor der Insel auf Grund. An Bord bricht Panik aus. Der Kapitän setzt einen Funkspruch an die Hafenbehörde ab und meldet technische Probleme. Der Staatsanwalt wirft ihm vor, die Besatzung habe erst 58 Minuten nach dem Unglück die Küstenwache alarmiert. (Im Bild: Eine Aufnahme vom Tag nach dem Unglück) (c) AP

ab ca. 23.00 Uhr: Die Evakuierung des Schiffes läuft. Passagiere werden mit Rettungsbooten zur Insel gebracht. Einige springen in Panik über Bord. Die Hafenaufsicht fordert den Kapitän, der das Schiff verlassen hat, mehrfach auf, zurückzukehren und die Evakuierung zu leiten. (c) REUTERS (� Handout . / Reuters)

0.41 Uhr: Die Hafenaufsicht fragt den Kapitän, wie viele Menschen noch auf dem Schiff sind. Aus dem Gespräch geht hervor, dass er sein Schiff verlassen hat. Die Hafenaufsicht fordert den Kapitän auf, an Bord zurückzukehren und die Rettungsaktion zu koordinieren. 1.46: Der Kommandant der Hafenaufsicht fragt den Kapitän nach Hilfsbedürftigen an Bord. Der Kommandant gibt dem Kapitän den Befehl, auf sein Schiff zu gehen. (c) Reuters (� Reuters Photographer / Reuters)

Bis zu 150 Menschen werden nachts aus dem Meer gerettet. Drei Tote werden geborgen. Später werden noch zwei weitere Leichen gefunden. An Bord waren auch 77 Österreicher, die aber alle mit heiler Haut davonkamen. 14. Jänner: Bei Tagesanbruch suchen Rettungsmannschaften weiter nach Vermissten. (c) EPA (GIGLIONEWS)

Bis zum Mittag sind am Tag nach dem Unglück 4179 gerettete Passagiere an Land registriert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Kapitän. Er wird am Abend festgenommen. 560 deutsche Passagiere sind nach Deutschland zurückgeflogen. 41 Menschen werden weiter vermisst. (c) Reuters (STAFF)

15. Jänner: Am Morgen entdecken Rettungskräfte zwei Überlebende. Das Brautpaar aus Südkorea wird kurze Zeit später gerettet. Auch ein Besatzungsmitglied wird befreit. Am Abend distanziert sich die Kreuzfahrtgesellschaft von ihrem Kapitän. Seine Entscheidungen seien nicht den üblichen Regeln gefolgt. (c) AP (Gregorio Borgia)

Auslöser für den Unfall könnte ein als "die Verneigung" bezeichnetes Manöver vor Giglio gewesen sein. Das Schiff "grüßt" dabei mit voller Beleuchtung und Sirenen die Küstenbewohner. Der Kapitän sagt, das Manöver, bei dem Die "Costa Concordia" schließlich verunglückte, auf Druck der Reederei durchgeführt zu haben. Die Reedereibeteuert jedoch, das Manöver niemals genehmigt zu haben. (c) AP (Giorgio Fanciulli)

Schettino hat nach dem Unglück gegenüber den toskanischen Staatsanwälten bestritten, dass er nach der Schiffskatastrophe flüchten wolle. "Ich wollte das Schiff nicht verlassen, ich trug nicht einmal eine Schwimmweste", erklärte der Kapitän. Er sei lediglich in eine Schaluppe (Beiboot, Anm.) gefallen und habe dann von den Felsen aus die Evakuierungsaktion koordiniert. Schettino und sein Vize-Kapitän Ciro Ambrosio werden sich nach derzeitigem Stand unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und Schiffbruchs verantworten müssen.Bild: Die Aufnahme eines spanischen Passagiers zeigt, wie nach dem Unglück ein Beiboot vorbereitet wird. (c) EPA (CARLOS CARBALLA)

Auch zahlreiche Besatzungsmitglieder sollen schnell das Weite gesucht haben. Als einer der wenigen Verantwortlichen soll der 57-jährige Bordkommissar Manrico Giampedroni geblieben sein: Er half Passagieren in die Rettungsboote und und durchsuchte die Kabinen nach Verletzten. Dabei rutschte er aus und brach sich ein Bein. Er blieb 36 Stunden in dem havarierten Schiff liegen, bis er gerettet wurde. (c) AP (Giacomo Aprili)

32 Menschen werden nur noch tot geborgen. (c) REUTERS (� Handout . / Reuters)

Naturschützer warnen vor einer Umweltkatastrophe. Das Öl aus dem Schiff sei eine tödliche Gefahr für Zehntausende Meerestiere, die in dem 1996 gegründeten Nationalpark Toskanischer Archipel lebten. Das Abpumpen des Öls kann Wochen dauern, zudem wurden die Vorbereitungen dazu immer wieder wegen des schlechtes Wetters unterbrochen. Derzeit sind sie wieder unterbrochen. (c) REUTERS (DARRIN ZAMMIT LUPI)

Ein Pontonschiff hat sich der Havarie genähert, um die Arbeiten aufzunehmen 15 Tanks befinden sich im Wrack. In den ersten sechs Tanks befinden sich rund 1518 Kubikmeter, in den anderen neun Tanks sind weitere 377 Kubikmeter Treibstoff. Das restliche Öl muss aus dem Maschinenraum des Schiffes geholt werden. Dort bunkern laut den Fachleuten noch 348 Kubikmeter Öl. (c) AP (Pier Paolo Cito)

In den ersten vier Wochen nach dem Unglück hat sich die "Costa Concordia" um etwa 60 Zentimeter bewegt. Es besteht Gefahr, dass es in tiefere Gewässer abrutscht und bis zu 70 Meter tief ins Wasser absinken könnte. Vor allem der Bug ist in Bewegung. Die Experten, die das Schiff mit Lasergeräten kontrollieren, überlegen Maßnahmen zu dessen Verankerung. (c) REUTERS (� Giampiero Sposito / Reuters)

11. Februar: Eine Videoaufnahme über die chaotischen Zustände nach der Havarier ist aufgetaucht. Es setzt Kapitän Schettino noch mehr unter Beschuss. Aus den Aufnahmen über die Vorfälle auf dem Brückenkommando geht deutlich die Verwirrung Schettinos hervor, der keine Initiativen ergriff, obwohl auf dem Schiff Panik ausgebrochen war. (c) AP

13. Februar: Nach wochenlangen Verzögerungen kann das Spezialunternehmen Smit Salvage mit dem Abpumpen von 2400 Tonnen Treibstoff beginnen. (c) REUTERS (GIAMPIERO SPOSITO)

(APA)