Warum Berlin bei der Bankenunion bremst

Angela Merkel
Angela Merkel(c) REUTERS (CHRISTIAN HARTMANN)
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Spaniens faule Kredite würden ein Drittel des ESM-Fonds ausschöpfen: Vor der Bundestagswahl ist das für Angela Merkel tabu.

Brüssel. Qualität vor Schnelligkeit: Dieses Leitmotiv lässt Angela Merkel stets ertönen, wenn sie auf die neue Aufsicht über rund 6000 Banken in der Eurozone angesprochen wird. „Es ist nicht richtig, dass man um ein paar Tage oder Monate feilscht, sondern es geht um die richtige Reihenfolge“, erklärte sie zum Beispiel am Freitag nach dem EU-Gipfeltreffen in Brüssel. Darum werde „es am 1. Jänner 2013 noch keine arbeitsfähige neue Bankenaufsicht geben“ – aber dafür den rechtlichen Rahmen. Denn wenn 200 bis 400 neue Mitarbeiter in die neue Organisation kommen, brauchten sie Zeit, um sich zurechtzufinden. Und das, schloss Merkel, sei doch wohl „so klar wie Kloßbrühe“.

Was allerdings ebenso offensichtlich ist: Die Bundestagswahl im September 2013 bestimmt entscheidend das politische Handeln der Kanzlerin. Denn die neue Aufsichtsstruktur mit der zentralen, aber noch undefinierten Rolle der EZB ist gleichsam die Schwelle, hinter der sich eine Bankenunion aufzubauen beginnt. Also ein Rahmen von Vorschriften und Geld, in dem marode Banken rekapitalisiert, abgewickelt und die Einlagen ihrer Sparer garantiert werden.

Kurzum: Die Bankenunion wird zu finanziellen Transfers innerhalb der Eurozone führen. Das ist ihr Zweck. Wenn Banken in einer Ecke von Euroland schwächeln, sollen sie rasch vom Währungsfonds ESM verarztet werden, bevor sie die Stabilität des gesamten Eurosystems gefährden.

Doch bevor noch der ESM dazu befähigt ist, Banken direkt mit frischem Kapital zu stützen, stellen sich schon die ersten Kunden bei ihm an: Irland, aber vor allem Spanien hätten gern zumindest einen Gutteil ihrer Staatsschulden, die sie für die Rettung ihrer entgleisten Bankensektoren ausgeben mussten, vom ESM erstattet.

Dabei geht es aber um so riesige Summen, dass die bis zu 500 Milliarden Euro an verfügbaren Mitteln des ESM rasch aufgezehrt wären. Am Donnerstag zum Beispiel gab die spanische Zentralbank bekannt, dass Spaniens Banken faule Kredite im Ausmaß von mindestens 178 Milliarden Euro in ihren Büchern herumschleppen. 178 Milliarden Euro: Das würde gut ein Drittel der ESM-Feuerkraft aufbrauchen. Dazu kommt das zweite Griechenland-Paket, das in Summe auch nicht viel kleiner ausfallen wird.

Es geht um das AAA des Eurofonds ESM

Das würde rasch finstere Wolken über der Kreditwürdigkeit des ESM aufziehen lassen, wie EZB-Präsident Mario Draghi die Gipfelteilnehmer am Donnerstag warnte. Direkte Bankenrekapitalisierungen könnten das AAA-Kreditrating des ESM gefährden, warnt die EZB in einem Papier, das „Spiegel Online“ zugespielt wurde. Sinkt die Bonität, wird es für den ESM teurer, sich auf den Märkten Geld zu leihen. Dann müssen die Haftungen der Euroländer steigen – und die „Eurorettung“ würde schlagartig teurer: eine Botschaft, die Merkel ihren Bürgern vor der Wahl nicht zumuten will.

Die Kanzlerin hat schon einmal gezeigt, wie innenpolitisches Kalkül ihr Handeln bei der Stabilisierung der Währungsunion treibt. Sie erreichte, dass das ESM-Kapital von 80 Milliarden Euro bis 2017 in fünf gleichen Raten eingezahlt wird. Ursprünglich hätten die Euroländer einen Großteil davon vorab im Jahr 2013 zahlen sollen. Doch das hätte die Nettokreditaufnahme der Bundesrepublik für dieses Jahr schlagartig erhöht. Wegen der „Schuldenbremse“ im Grundgesetz hätte Merkel vor der Wahl weniger Wahlzuckerln verteilen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2012)

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