Giannakou: „Der Euro-Austritt wäre schlimmer als die deutsche Besatzungszeit“

Griechenland Eurokrise
Griechenland Eurokrise(c) Epa/Orestis Panagioutou (Orestis Panagioutou)
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Die konservative griechische Abgeordnete Marietta Giannakou schwört ihr Land auf die nötigen Sparmaßnahmen ein.

Wien/Brüssel. Die griechische Regierung kann für einen kurzen Augenblick aufatmen: Sowohl Ratspräsident Herman Van Rompuy als auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel signalisierten auf dem gestern zu Ende gegangenen EU-Gipfel volle Solidarität mit Athen – so es die von der Geldgeber-Troika geforderten Sparmaßnahmen durchführt.

Von einer Entspannung der Lage kann vorerst dennoch nicht die Rede sein: Beinahe wöchentlich legen Demonstrationen das ganze Land lahm, die Arbeitslosigkeit steigt, die Wirtschaft stagniert. Marietta Giannakou, griechische Abgeordnete im Europaparlament, ehemalige Ministerin und Mitglied der regierenden Nea Dimokratia (ND), glaubt dennoch, dass nur hartes Sparen das Land wieder aus der Krise führen kann.

Die Presse: Die Auszahlung der nächsten Hilfstranche in Höhe von 31,5 Milliarden Euro gilt als sicher. Aber hält Griechenland die im Gegenzug versprochenen Sparmaßnahmen überhaupt aus?

Marietta Giannakou: Die Sparmaßnahmen sind absolut notwendig. Wenn Griechenland die nächste Tranche nicht bis zum 16. November erhält, ist der Staat bankrott. Für einen Neuanfang müssen wir Schritt für Schritt das Defizit eliminieren und die Ausgaben der Regierung besser kontrollieren. Die Hilfsgelder sollten zu einem guten Teil in die Privatwirtschaft fließen, denn das große Problem des Landes ist die Rezession...

...die auch durch die harten Sparmaßnahmen bedingt wurde.

Stimmt. Aber diese Einschnitte müssen eben sein. Wir müssen unsere Arbeit fortführen und uns an die Vereinbarungen mit den Geldgebern halten. Das ist die einzige Möglichkeit, in der Eurozone zu bleiben.

Wird für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone ein drittes Hilfspaket nötig sein?

Wenn wir das bis jetzt versprochene Geld erhalten, wird das zweite Paket ausreichen.

Auch die Arbeitslosigkeit in Griechenland ist ein großes Problem. Hat ein Arbeitsloser heute überhaupt noch die geringste Chance auf einen Job?

Die Arbeitslosenrate in Griechenland ist in den letzten Jahren sehr stark auf mittlerweile 25 Prozent gestiegen. Auch für jene, die einen Job haben, bedeutet das Unsicherheit und schlechte Gehälter. Wir haben einen hohen Prozentsatz an gut ausgebildeten Leuten. Doch viele verlassen das Land, weil sie keinen Job finden. Deshalb muss sich die griechische Wirtschaft erholen, damit solche Leute zurückkommen.

Bei einem Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel vor knapp zwei Wochen in Athen gab es Ausschreitungen und Proteste. Sind die griechischen Ressentiments Deutschland gegenüber gerechtfertigt?

Es sind hauptsächlich die Medien, die diese Gerüchte streuen. Die meisten Griechen, mit denen ich über Merkels Besuch gesprochen habe, haben sich darüber gefreut.

Dennoch: Die Situation in Ihrem Land spitzt sich weiter zu. Denken Sie sich nicht manchmal, dass es besser wäre, die Eurozone zu verlassen?

Auf keinen Fall. Der Austritt wäre eine Katastrophe, schlimmer als die deutsche Besatzung in den 1940er-Jahren. Alles im Land würde zusammenbrechen, und wir könnten es uns auch nicht mehr leisten, Produkte aus der Eurozone zuzukaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2012)

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