Marcel Hirscher stapelt tief: "Ich bin keine Maschine"

Marcel Hirscher stapelt tief
Marcel Hirscher stapelt tief(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Michael Riedler)
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Der 23-jährige Salzburger nimmt die neue Saison als Titelverteidiger und im neuen Gewand in Angriff. Er ist der erste Weltcupläufer, der seine eigene Equipment-Serie fährt. Die Abfahrt ist und bleibt kein Thema.

„Die faden Zeiten im Skisport sind vorbei!“ Dieser Satz könnte auch von Rainer Schönfelder stammen, in diesem Fall aber hat ihn Marcel Hirscher in der Zentrale seines Skiausrüsters in Altenmarkt kühn ausgesprochen. Der 23-jährige Salzburger versprüht eine Woche vor dem Skiweltcupauftakt in Sölden Optimismus. Und der Titelverteidiger tritt sozusagen im neuen Gewande an. Präsentiert hat er die neue „Icon Series“ bereits, er selbst zeigt sich dementsprechend begeistert. Den WM-Winter und das Unternehmen Titelverteidigung nimmt Hirscher mit einem speziellen Helm und besonderen Slalomskiern in Angriff. Design und Technik sind außergewöhnlich, auffällig – schräg. „Ich habe eine riesige Freude“, sagt Hirscher, der sich im März beim Weltcupfinale in Schladming die große Kristallkugel gesichert hat. Heuer ist er der große Gejagte. Aber das kann dem Ausnahmeathleten nichts anhaben.

Marcel Hirscher wird in diesem Winter ganz im Atomic-Rot erstrahlen, nur der Helm hat in der Mitte das Gelb seines Hauptsponsors behalten. „Meine Ideen sind bei der Ausrüstung hundertprozentig umgesetzt worden“, meint der Salzburger. Hirscher ist – so wie sein Vater – ein Tüftler. Das macht sich auch bei den neuen Latten bemerkbar. Der Slalomski, der auf der transparenten Lauffläche ein schwarz-rotes Design aufweist, ist ein technisches Meisterstück. Hirschers Icon-Series (Redster SL) wirken wie Skier, die aufgebogen wurden. Im Freestyle-Bereich kennt man das unter dem Begriff „Rocketing“. Marcel Hirscher soll das beim Torlauf schneller machen. Besser gesagt noch schneller, als er ohnedies schon war.

Der Salzburger Skistar ist damit der erste Weltcupläufer, der seine eigene Equipment-Serie fährt. „Ab jetzt“, sagt Hirscher, „fahre ich nicht nur Ski, so wie ich bin, sondern fahre auch die Skier, die so sind wie ich!“ Und weiters sagt der Techniker: „Da steckt viel Hirnschmalz von meinem Vater und von mir drinnen.“ Auch Wolfgang Mayerhofer, der Atomic-CEO, strahlt. „Wir sind draufgekommen, dass Marcel eigentlich auch der beste Produktmanager ist.“ Dank Hirscher sei der Skisport vor allem eines geworden – „jünger, frischer, cooler“.

Der junge Annaberger hat sich zum absoluten Publikumsliebling entwickelt, sein aufregender Fahrstil begeistert die Massen. Über die kommende Saison samt Heim-WM will Marcel Hirscher aber noch nicht so gern sprechen. „Ich freue mich, wenn ich so in Form bin, dass ich um die Top Ten mitfahren kann“, stapelt er zunächst ein wenig tief. Der vergangene Winter mit den neun Rennsiegen mache ihn noch immer ein wenig sprachlos und das Erlebte ist ihm noch immer nicht ganz geheuer. „Manchmal schaue ich mir ein paar Rennen noch einmal an und dann denke ich mir: Wie ist das alles bei mir nur zugegangen?“ Der Gewinn des Gesamtweltcups habe schließlich alles überstrahlt. „Ich versuche das abzuschließen, aber ich habe es nicht einmal noch zur Hälfte geschafft, es zu realisieren. Es fehlt immer noch das Hakerl dahinter.“ Ändert aber nichts an der Tatsache, dass der „depperte Becher“ (Zitat Hirscher im März) bei ihm daheim steht. „Daher weiß ich, dass es kein Traum war.“

Trainiert hat Marcel Hirscher im Sommer in Neuseeland, zuletzt auf heimischen Gletschern. Nicht immer ganz zu seiner Zufriedenheit, weil sich Probleme mit dem Wetter eingestellt haben. Dafür kennt er die Fitnesscenter, wie er sagt, in- und auswendig.

Kraft wird er brauchen, der Titelverteidiger. Ein besonderer Freund der Radiusvergrößerung im Riesentorlauf war der Salzburger nie. „Eine wirklich große Umstellung“, sagt Hirscher. „Die Frage ist, ob die Skier auch bei schlechten Verhältnissen fahrbar sind.“ Wo er derzeit stehe, das könne er auch nicht seriös beantworten. „Ich bin sehr lange in beiden Disziplinen (Anm.: Riesentorlauf, Slalom) allein gefahren. Ich habe daher kein klares Bild.“


Nein zur Abfahrt. Marcel Hirscher wird in diesem Winter auch im Super-G zu sehen sein. „Vereinzelt“, wie er meint. „Zur Abfahrt aber sage ich grundsätzlich Nein. Die würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen, auch während der Saison. Drei Trainingstage und ein Rennen, das ergibt schon allein vier Tage. Da würde ich meine Stärken im Slalom und im Riesentorlauf extrem vernachlässigen.“

Siege oder WM-Medaillen in Schladming verspricht Hirscher nicht. „Ich habe meine Ziele schon vor einiger Zeit weitaus übertroffen“, meint er. „Ich bin keine Maschine, aber ich werde wieder mein Bestes geben. Und wenn mir das gelingt, dann bin ich keinem Rechenschaft schuldig.“ Auch am Söldener Gletscher nicht.


www.marcelhirscher.at

Zur Person

1989

Marcel Hirscher wurde am 2. März in Annaberg-Lungötz geboren. Vater Ferdinand war Leiter der Skischule Annaberg, Mutter Sylvia kommt aus den Niederlanden.

2007

Am 17. März gab Hirscher sein Debüt im Weltcup.

Größte Erfolge: zwölf Weltcupsiege, Riesenslalomweltcup, Gesamtweltcup. Dreifacher Juniorenweltmeister.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2012)

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