Derby-Matchwinner Alexander Gorgon im Interview mit der "Presse": Er ist schon in jungen Jahren ein violettes Urgestein. Dabei war der 23-Jährige dem jähen Karriereende bereits erschreckend nahe.
Die Presse: Wie fühlt man sich als Derby-Held?
Alexander Gorgon: Ausgezeichnet. Es ist schön, am Tag danach die Zeitungen aufzuschlagen.
Das werden auch die Austria-Fans mit großer Genugtuung getan haben.
Davon gehe ich aus. Das letzte attraktive Derby lag doch schon lange Zeit zurück, in der jüngeren Vergangenheit wollte vorrangig keines der beiden Teams verlieren. Diesmal haben zumindest wir mit offenem Visier gespielt, hätten uns sogar mit einem noch höheren Sieg belohnen können. Dieser Sieg war auch ein Geschenk an die Fans.
Schlafen Sie nach einem solchen Spiel besonders gut oder fällt es Ihnen umso schwerer, zur Ruhe zu kommen?
Zweiteres, aber das ist nach jedem Spiel so. Ich bin niemand, der sofort einschlafen kann. Dafür steht der Körper viel zu sehr unter Adrenalin. Meistens komme ich erst zwischen 2 und 3 Uhr zur Ruhe.
Sie zählen bei der Austria zum Stammpersonal, Ihre Entwicklung schreitet kontinuierlich voran. Waren die beiden Derby-Tore eine logische Folge?
Ich habe schon in den letzten Wochen auf einem konstanten Level gespielt, aber Tore lassen einen zwangsläufig mehr in den Fokus rücken. Mein Ziel ist es, mich in jedem Spiel zu verbessern. Und natürlich will ich möglichst viele Scorerpunkte sammeln.
Marcel Koller war unter den interessierten Beobachtern. Gab es schon Kontakt zum Teamchef?
Nein, bislang nicht. Aber das Nationalteam ist ein Traum von mir.
Bundesligaspieler haben im ÖFB-Team gegen die zahlreichen Legionäre derzeit einen sehr schweren Stand.
Das macht die Sache nicht einfacher, man hat quasi auf jeder Position richtig viele Kaliber vor sich. Praktisch alle Stammspieler im Team sind bei ihren Vereinen gesetzt. Vielleicht ist auch der Schritt ins Ausland nötig, um für das Nationalteam eher infrage zu kommen.
Sie sind seit Kindestagen Austrianer. Ist ein Wechsel innerhalb der Bundesliga für Sie überhaupt denkbar?
Nein, eigentlich ist das unvorstellbar. Mich verbindet so viel mit diesem Verein. Ich spiele hier, seit ich fünf Jahre alt bin.
Sie würden also auch für viel Geld nicht über Ihren Schatten springen und nach Salzburg wechseln?
Sag niemals nie, aber Geld spielt nicht immer die größte Rolle. Die Austria ist in Österreich eine Topadresse. Ich fühle mich hier sehr wohl, schätze auch das familiäre Umfeld.
Stellt der Verein in dieser Saison den Anspruch, Meister zu werden?
Das sollte eigentlich immer das Ziel sein. Dennoch müssen wir realistisch denken. Was Salzburg in den letzten Wochen gezeigt hat, beeindruckt mich. Die Mannschaft hat zu sich gefunden, schießt viele Tore. Entscheidend wird sein, ob sie diesen Level über einen längeren Zeitraum halten können. Wir müssen unsere Hausaufgaben erledigen, die wichtigen Spiele gewinnen. Und das sind nicht immer jene Partien gegen die direkte Konkurrenz. Die Kunst liegt darin, jede Woche die letzten Prozent aus sich herauszuholen. Das gelingt im Derby einfacher als sonst.
Trainer Peter Stöger arbeitet viel an der Einstellung der Spieler. Er hat ein neues Bewusstsein geschaffen.
Er sucht das Gespräch, will, dass sich jeder Einzelne seiner Qualitäten bewusst wird und an seine Stärken glaubt. Selbstvertrauen ist ein ganz wesentlicher Faktor.
Dass Sie derzeit so viel davon haben, ist keine Selbstverständlichkeit. Von 2008 bis 2010 konnten Sie zwei Jahre keinen Fußball spielen.
Das war eine sehr komplexe Geschichte. Ich hatte Probleme bei allen dynamischen Bewegungen, also etwa bei Richtungswechseln, Pässen oder Schüssen. Die Ärzte können mir heute noch nicht genau sagen, warum. Es dürfte vieles zusammengespielt haben – Schambein, untere Bauchmuskeln, Adduktorenansätze. Diese Art der Verletzung ist bei Fußballern sehr in Mode gekommen, sei es durch neue Trainingsmethoden oder verändertes Schuhwerk.
Welche Gedanken hat ein Profifußballer, der zwei Jahre nicht seinem Beruf nachgehen kann?
Sehr viele. Ich war verzweifelt, habe nach 18 Monaten auch mit einem Karriereende spekuliert und mir Gedanken über die mögliche Zeit danach gemacht. Es waren die schlimmsten Wochen und Monate meiner Karriere, ich war unglaublich frustriert. Aber die Liebe zum Fußball war so groß, dass ich mir geschworen habe, alles zu versuchen, um zurückzukommen. Ich wollte dieses Comeback so sehr. Auf Anraten der Ärzte habe ich meinen Beckenbereich gestärkt, habe muskulär zugelegt. Die Probleme wurden weniger. Wenn ich es nicht versucht hätte, hätte ich dieser Chance wohl mein ganzes Leben nachgetrauert.
Auf einen Blick
Austria gewann das 303. Wiener Derby gegen Rapid mit 2:0. Beide Tore erzielte Alexander Gorgon.
Gorgon stieß als Fünfjähriger zur Austria und spielte seitdem für keinen anderen Verein. Vertraglich ist er bis 2015 an Violett gebunden, Ziel ist ein Wechsel ins Ausland.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2012)