Oh nein, Berlusconi hat noch immer nicht genug

Italiens multipel gescheiterter Ministerpräsidenten-Darsteller kündigt nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs ein politisches Comeback an. Das ist eine gefährliche Drohung für ganz Europa.

Gott stehe Italien bei. Silvio Berlusconi will in die politische Arena zurückkehren. Er müsse weitermachen, um die italienische Justiz zu reformieren, verkündete der 76-Jährige keine 24 Stunden, nachdem ihn ein Mailänder Gericht wegen Steuerbetrugs erstinstanzlich zu vier Jahren Haft verdonnert hatte. Theoretisch wäre es dem Gaukler, der sein Land als Ministerpräsidenten-Darsteller in insgesamt drei Anläufen systematisch an den Rand des Abgrunds geführt hat, dem Richterspruch zufolge auch ein paar Jährchen untersagt, öffentliche Ämter zu bekleiden. In Wirklichkeit rechnet kaum jemand damit, dass das Urteil jemals rechtskräftig wird. Denn bis der Fall die dritte und letzte Instanz erreicht hat, werden die Taten höchstwahrscheinlich schon verjährt sein.

Doch jemand wie Berlusconi kann eine solche öffentliche Schmach, so folgenlos sie letztlich auch sein mag, nicht auf sich sitzen lassen. Achtung vor Richtern, zumindest vor jenen, die in den verschiedensten Verfahren über ihn zu Gericht gesessen sind, ist ihm ohnehin seit jeher fremd. Schon seit Jahren zieht der Medien-Zampano in ewig wiederkehrenden Kampagnen über seine Lieblingsfeinde, die „roten Roben“ her. Dass er dabei den Rest an Autorität untergräbt, über den der italienische Rechtsstaat verfügt, ist ihm herzlich egal. Das operettenhafte Polit-Engagement des Silvio Berlusconi diente zuallererst immer auch der Förderung persönlicher Interessen.

„Unglaublich und lächerlich“ sei der Schuldspruch, polterte der alternde Milliardär in seinem eigenen Fernsehsender Canale 5. Wie könne man ihm, einem „unbescholtenen Vater von fünf Kindern und Großvater von sechs Enkelkindern“ vorwerfen, im Jahre 2002 Steuern in der Höhe von 4,9 Millionen Euro hinterzogen zu haben, da doch seine TV-Gruppe allein heuer wieder 156 Millionen Euro zahle.

Der Mann kennt kein Unrechtsbewusstsein. Und er hat offensichtlich auch kein Gefühl mehr dafür, wann es genug ist. Am Mittwoch erst hatte der Cavaliere feierlich bekannt gegeben, dass er bei den Parlamentswahlen im Frühjahr nicht mehr für seine Partei „Volk der Freiheit“ antreten werde. Jetzt, nach dem Urteil des Mailänder Strafgerichts, will er plötzlich wieder mitmischen, wenn auch nicht als Spitzenkandidat.

Für Italien, ja für ganz Europa, ist die Comeback-Ansage Berlusconis bei allem Verständnis für Altersstarrsinn und schrägen Humor eine gefährliche Drohung. Schon die vage Möglichkeit, dass demnächst wieder der Bunga-Bunga-Premier aus dem Off an den Fäden der Macht herumfummeln könnte, muss Bürgern und Investoren kalte Schauer über den Rücken jagen. Das ganze Ausmaß des Versagens Berlusconis ist erst offenbar, seit er in höchster Finanznot das Feld für die technokratische Übergangsregierung von Mario Monti räumen musste. In wenigen Monaten brachte Monti mehr Mut und Energie für sinnvolle Reformen auf als Berlusconi in den 18 Jahren seines narzisstisch irrlichternden Dilettantentums.


Possenreißer. Berlusconi hinterließ eine marode Wirtschaft, verkrustete Strukturen, einen aufgeblähten Staatsapparat und Schulden, die dieser Tage den Rekordstand von 126 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts erreicht haben. Der peinliche Possenreißer gab sein Land jahrelang der Lächerlichkeit preis und sah tatenlos zu, wie es in der EU an ökonomischem und politischem Einfluss verloren hat.

Mario Monti hat den italienischen Patienten mit Notmaßnahmen in der Intensivstation stabilisiert. Sollte Berlusconi wieder ans Krankenbett vorgelassen werden, kann Europa schon vorsorglich die ganz große Herz-Lungen-Maschine bereithalten: Als drittgrößte Volkswirtschaft des Euroraums hat Italien das Potenzial, das ganze Projekt in den Abgrund zu reißen.

Es wäre ziemlich vielen Menschen geholfen, wenn sich Silvio Berlusconi ganz privatim den Freuden des Lebens widmete, am besten weit weg von diesem Kontinent.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2012)

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