Besteht Ukraine den Demokratietest?

Besteht Ukraine Demokratietest
Besteht Ukraine Demokratietest(c) AP (Efrem Lukatsky)
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Bei der gestrigen Parlamentswahl siegte laut inoffiziellen Exit-Polls das Regierungslager. Entscheidend ist auch, ob der Urnengang als "frei und fair" beurteilt wird.

Wien/Kiew. Erste inoffizielle Exit-Polls legen nahe, dass in der Ukraine auch künftig die regierende „Partei der Regionen“ im Parlament die stärkste Kraft bleiben wird. Das regierungskritische Onlinemedium „Ukrainskaja Prawda“ veröffentlichte am Sonntagnachmittag erste Hochrechnungen von der noch andauernden Parlamentswahl. Demnach könnten fünf Kräfte den Einzug in die Kiewer Werchowna Rada geschafft haben: die Partei der Regionen von Staatspräsident Viktor Janukowitsch, die zwischen 32 und 34 Prozent der Stimmen erlangt haben soll, die „Vereinigte Opposition“ der inhaftierten früheren Pemierministerin Julia Timoschenko (24 Prozent), „Udar“ von Boxweltmeister Vitali Klitschko (13 Prozent), die Kommunisten (elf Prozent) sowie die ultranationalistische „Swoboda (zwischen sieben und elf Prozent).

Bestätigen sich diese Angaben, dann hat die prowestliche Opposition die angekündigte „Rückeroberung“ des Parlaments verfehlt – und könnte durch das kaum vorhersehbare Stimmverhalten der unabhängigen Mandatare, die künftig 225 der 450 Sitze einnehmen werden, weiter geschwächt werden. Ziel des „blauen“ Regierungslagers ist es nämlich, mithilfe der Kommunisten und der (dann freilich nur mehr nominell) Unabhängigen weiterhin den Kurs der Regierung zu unterstützen.

Staatschef Viktor Janukowitsch – für ihn ist die Wahl ein Stimmungstest zur Halbzeit seiner Präsidentschaft – gab sich am Sonntag siegessicher. „Ich habe für Stabilität gestimmt, für eine wirtschaftliche Entwicklung des Landes und dafür, dass bei uns die Menschen besser leben“, erklärte er.

Warten auf Urteil der OSZE

Doch nicht nur das Abschneiden an den Urnen ist für die Staatsführung wichtig, entscheidend wird weiters sein, ob die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Wahl am heutigen Montag als „frei und fair“ beurteilen. Auch die Europäische Union beobachtet den Urnengang mit Argusaugen. Die Frage, ob die ehemalige Sowjetrepublik den als „Demokratietest“ titulierten Wahlgang besteht, könnte direkte Folgen für den künftigen außenpolitischen Kurs des Landes haben: Kommt das Assoziierungsabkommen mit der EU doch noch zum Abschluss? Oder wird die Ukraine dem Werben Russlands für den Beitritt zur Zollunion nachgeben?

Die Ukraine war deshalb bemüht, Transparenz zu signalisieren: Ähnlich wie schon in Russland hatte man in Wahllokalen Videokameras installiert, deren Aufnahmen im Internet abgerufen werden konnten. Doch mit der Übertragung der Daten haperte es bisweilen. Auch hatte es im Vorfeld zahlreiche Berichte von Übertretungen der Wahlordnung gegeben. Auch gestern berichteten Angehörige der Opposition und Wahlbeobachter von kurzerhand entführten Urnen, gefälschten Wählerverzeichnissen und Bürgern, die offenbar zur mehrmaligen Stimmabgabe in Bussen durch die Hauptstadt kutschiert wurden. „Alles läuft normal“, verlautete hingegen Premier Mykola Asarow.

Ob der neue Star am ukrainischen Polithimmel, Vitali Klitschko, die politische Landschaft der Ukraine nachhaltig ändern kann, ist eine weitere offene Frage, die wohl erst in den kommenden Wochen und Monaten beantwortet werden kann. „Udar“ ist der Versuch der Installierung einer „dritten Kraft“, die das ukrainische „Zweiparteiensystem“, also das traditionelle Patt zwischen „Blauen“ und den „Orangen“, aufbrechen soll.

Möglicher Einfluss des Gasbarons

Skeptiker führen allerdings an, dass sich auf der Wahlliste von Udar einige Persönlichkeiten wiederfinden, die in einem Naheverhältnis zu Dmitrij Firtasch stehen – jenem einflussreichen Gaszwischenhändler, der in der Vergangenheit als Förderer des Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch galt.

Dies nährt Spekulationen, ob Klitschkos Wahlkampf neben seinen Eigenmitteln nicht auch von dem „Gasbaron“ finanziert wurde und wirft gleichzeitig die Frage auf, wie es um die Stimmdisziplin von Klitschkos Mandataren im neuen Parlament bestellt sein wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2012)

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