Den Volksmund kann man nicht kaufen

Willis Tower
Willis TowerErich Kocina
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Der höchste Wolkenkratzer der USA ist der Sears Tower. Vermutlich wird der Großteil der Menschen hier wohlwollend nickend Zustimmung signalisieren.

Der höchste Wolkenkratzer der USA ist der Sears Tower. Vermutlich wird der Großteil der Menschen hier wohlwollend nickend Zustimmung signalisieren. Grundsätzlich ist der Satz ja auch richtig– abgesehen davon, dass der inklusive Antenne 527 Meter hohe Turm schon seit mehr als drei Jahren nicht mehr Sears Tower heißt. Nachdem der britische Versicherungskonzern Willis Group Holdings die Namensrechte an dem Hochhaus gekauft hat, heißt das Gebäude heute eigentlich Willis Tower. Allein, kaum ein Mensch in Chicago nennt ihn so. Und auch weltweit sieht es nicht so viel anders aus.

Wien ist da keine Ausnahme. Als 1967 in Simmering die Mautner-Markhof-Gasse ihren Namen erhielt, verschwand ihr früherer Name keineswegs. Noch jahrzehntelang wurde sie als Dorfgasse bezeichnet. Erst nach und nach setzte sich mit immer neuen Generationen der neue Name durch. Allein, vom namensgebenden Lebensmittelbetrieb ist in der Gegend ironischerweise heute kaum mehr etwas vorhanden.

Den Volksmund kann man nicht kaufen, lernt man aus Episoden wie diesen. Nur weil ein Unternehmen sich Namensrechte sichert, muss die alte Bezeichnung noch lange nicht verdrängt werden. Viele sagen noch heute Raider zum Twix-Schokoriegel. Und der Holland Blumen Markt wird nach wie vor so genannt, obwohl er aus wettbewerbsrechtlichen Gründen schon 1993 sein t am Ende eingebüßt hat. Auch das Penthouse, in dem Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner einst residiert hat, wird wohl noch längere Zeit als Elsner-Penthouse bezeichnet werden. Vom neuen Hauptbahnhof gar nicht zu reden. Der wird sicher über Jahre hinweg noch Südbahnhof heißen.

So manches Festhalten an alten Bezeichnungen kann aber auch ein wenig schrullig wirken. Zuletzt etwa, als am Ende einer Postkarte aus Berlin zu lesen war: „Liebe Grüße aus der DDR!“

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2012)

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