Einbürgerungen: VP-Plan "überzogen"

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Die SPÖ nennt den Entwurf "diskussionswürdig" und begrüßt das Anreizsystem, hält aber die Deutsch- und Steuervorgaben für zu streng. Experten, Caritas und Samariterbund kritisieren die Verpflichtung zum Ehrenamt.

Wien. „Diskussionswürdig“ nennt Laura Rudas den Entwurf des ÖVP-geführten Innenministeriums für eine Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes: Es sei richtig, die Einbürgerung an die Integration zu koppeln, sagte die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin der „Presse“. Über einige Details müsse man freilich noch sprechen, wobei Rudas den Verhandlungen mit der ÖVP am Montag nicht vorgreifen wollte.

Ihr Kollege Günther Kräuter hingegen schon: Dass ein Migrant Deutsch auf Maturaniveau können muss, wenn er nach sechs Jahren Österreicher werden will, hält der SPÖ-Bundesgeschäftsführer für überzogen. Diese Anforderung sei „nicht ganz fair“, zumal auch die österreichische Bevölkerung nicht durchwegs dieses Niveau erreiche. „Ausreichende Deutschkenntnisse“ sollten genügen, meint Kräuter.

Ein anderes Kriterium im ÖVP-Entwurf lehnt er ebenso ab: Dass nach sechs Jahren nur eingebürgert werden kann, wer in dieser Zeit regelmäßig Steuern gezahlt, also 800 bis 1000 Euro netto zur Verfügung hat. (Im alten Modell genügt es, wenn man das für drei der nötigen zehn Jahre vorweisen kann.)

--> Test: Könnten Sie Österreicher werden?

Der Gesetzesentwurf der ÖVP, der am Sonntag von Staatssekretär Sebastian Kurz präsentiert wurde, sieht ein dreistufiges Modell vor: „Ausgezeichnet“ integrierte Migranten können schon nach sechs Jahren Staatsbürger werden. Voraussetzung: Der Antragsteller hat gearbeitet, Steuern gezahlt und keine Sozialhilfe in Anspruch genommen. Er spricht Deutsch wie ein Maturant (der Deutsch als erste Fremdsprache hätte), besteht den Staatsbürgerschaftstest (der auch novelliert werden soll) und hat zumindest drei Jahre bei einer Freiwilligenorganisation mitgearbeitet.

Ist die Person nur „ausreichend“ integriert, kann er – wie bisher – erst nach zehn Jahren eingebürgert werden. „Ausreichend“ wird mit Deutsch auf Mittelschulniveau, „selbsterhaltungsfähig“ und einem positiven Testergebnis definiert. Wer diese Kriterien nicht erfüllt, hat keine Chance, Österreicher zu werden. Sonderregelungen gibt es nur für Menschen mit schweren Behinderungen.

Expertenrat: „Zu restriktiv“

Generelle Kritik an diesem Entwurf kommt vom Expertenrat für Migrationsfragen, den „SOS Mitmensch“ am Montag vorgestellt hat. Die Pläne änderten nichts daran, dass das Staatsbürgerschaftsrecht international eines der restriktivsten bleibe, befand Gerd Valchars vom Staatswissenschaftsinstitut der Uni Wien stellvertretend für das 24-köpfige Gremium. Eine Wartefrist von sechs Jahren wäre immer noch (zu) lang, der Zwang zum freiwilligen Engagement außerdem eine Auflagenverschärfung.

Auch bei jenen Organisationen, die von den neuen Auflagen profitieren würden, ist man skeptisch: „Dass das Ehrenamt zur Bedingung wird, unterläuft den Gedanken der Ehrenamtlichkeit“, so Judith Marte, Leiterin des Referats für Sozialpolitik bei der Caritas. Auch Reinhard Hundsmüller, Bundessekretär des Samariterbundes, ist nicht ganz glücklich. Zwar sei der Vorstoß als „Diskussionsgrundlage zu begrüßen“. Aber: „Schade, dass Kurz nicht mit uns darüber spricht.“ Unklar sei nämlich, welches Arbeitspensum – pro Woche, pro Monat – der Gesetzgeber verlange. Das werde erst diskutiert, heißt es dazu aus dem Staatssekretariat.

Derzeit sind laut Hundsmüller zehn Prozent aller ehrenamtlichen Mitarbeiter Ausländer – ohne die Staatsbürgerschaft als Anreiz. Auf die Motivation wird der Samariterbund weiter achten: „Macht das jemand nur wegen der Staatsbürgerschaft, dann passt er nicht zu uns.“

Übrigens: Für Prominente, denen die Staatsbürgerschaft wegen besonderer Verdienste im Expressweg verliehen werden kann, wird sich nichts ändern. Es solle lediglich im Vollzug noch mehr auf den Mehrwert für Österreich geachtet werden, heißt es. Sprich: Erfolgreiche Künstler oder Sportler müssen weiterhin nicht Deutsch können.

GASTKOMMENTAR SEITE 26

Auf einen Blick

Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz. Neben neuen Auflagen für Einbürgerungen sieht der ÖVP-Entwurf weitere Änderungen vor: Personen, die von den Behörden fälschlicherweise als Österreicher behandelt wurden (sogenannte Putativ-Österreicher), wird die Staatsbürgerschaft rückwirkend anerkannt. Uneheliche Kinder, deren Vater (aber nicht die Mutter) Österreicher ist, erhalten automatisch die Staatsbürgerschaft. Erleichterungen sind auch für Adoptivkinder (im Kleinkindalter) vorgesehen. Die Novelle wird jetzt mit der SPÖ verhandelt und soll demnächst in Begutachtung gehen. Der Ministerratsbeschluss ist für Dezember oder Jänner avisiert, der Parlamentsbeschluss für März oder April. In Kraft treten würden die Neuerungen dann mit 1. Juni 2013.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2012)

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