Im "Niemandsland" zwischen EU und Russland läuft der Ukraine die Zeit davon – doch Kiew gibt sich ahnungslos.
Die Ukraine spielt seit dem Amtsantritt von Präsident Viktor Janukowitsch im Februar 2010, als die ostukrainischen „Regionalen“ an die Macht gekommen sind, auf Zeit. Je länger die Ukraine im Niemandsland zwischen EU und Russland wartet, desto besser sitzen Janukowitsch, seine Familie und die mit ihm assoziierten Oligarchen im Sattel. Das Parlament ist für Janukowitsch zwar nur Nebenschauplatz, aber eine Mehrheit macht das Regieren unbeschwerter.
Zurück zum Kiewer Hasch-mich-Spiel. Es geht so: Mal liebäugelt der Präsident mit Moskau, was den Stammwählern gefällt, die sich nach Sowjet-Sicherheit sehnen; Moskau verspricht Billiggas für den Beitritt zur Zollunion. Anderntags lassen die „Regionalen“ in Brüssel wissen, dass sie die wahren Reformer sind. Dieses Herumlavieren (euphemistisch: Multivektorenpolitik) kann sich die Ukraine leisten – noch. Womöglich wird das Land letztlich weder die Rüge Brüssels noch die Karotte Moskaus bewegen. Es sind Entwicklungen im Inneren, die Janukowitsch gefährlich werden könnten: Eine 30-prozentige Abwertung der Landeswährung Griwna zum Dollar steht bevor, die Gasalimentierung frisst ein Loch ins Budget, Investitionseifer will angesichts von Korruption und Behördenwillkür nicht aufkommen. Jedes Spiel ist einmal zu Ende.
jutta.sommerbauer@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2012)