Mikl-Leitner und Kurz: Die Harte und der Zarte

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Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz teilen sich Themen und Wählergruppen geschickt auf. Die Strategie der ÖVP ging bisher auf.

Wien. Es war ein Musterbeispiel für die Arbeitsteilung im Innenministerium: Ministerin Johanna Mikl-Leitner spielte bei der Sondersitzung des Nationalrats am Dienstag den Blitzableiter für die FPÖ, die die ÖVP-Ressortchefin wegen „Kriminalität und Asylmissbrauch“ ins Visier genommen hatte. Doch die Niederösterreicherin blieb unbeeindruckt. Schließlich interpretiert sie das Amt ähnlich (hart) wie ihre Vorgängerin Maria Fekter – als Rechtsauslegerin.

Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz hingegen, der seinen Job zeitgleich mit Mikl-Leitner im April 2011 angetreten hat, gibt den toleranten jungen Mann im Ressort: Zwar handelte er sich zuletzt Schelte ein, weil er – ÖVP-linientreu – Leistung von Zuwanderern einfordert, wenn sie Staatsbürger werden wollen. Dennoch darf er zuversichtlich sein, dass am Ende auch die SPÖ der Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes ihren Sanktus geben wird.

Good Cop und Bad Cop: Das beschreibt nicht nur die Arbeitsteilung in der Herrengasse, sondern auch insgesamt den Zugang der ÖVP zum Ausländer- und Integrationsthema. Für die grundsätzlichen, harten Themen (Asyl etc.), bei denen man auch „hart“ bleiben will, ist Mikl-Leitner zuständig. Softere Themen, wo man neue Wege sucht, darf Kurz präsentieren, der sich anderseits in Interviews so gut wie nie zu Asylfragen äußert – Motto: Das ist nicht Integration.

Zu beobachten war der janusköpfige Zugang zuletzt eben in der Debatte um die Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes, das in der Grundstruktur fast unverändert bleibt: Der einzige „Coup“ mit der schnelleren Einbürgerung für sehr gut Integrierte wurde Kurz als „politischer Erfolg“ überlassen.

Die Strategie der ÖVP ging bisher auf: Einerseits wurde so die lange verlangte Debattentrennung der Themen Asyl/Kriminalität und Integration erreicht. Andererseits tun sich SPÖ und Grüne im Umgang mit Kurz schwer. Schließlich war es die Kanzlerpartei, die lange Zeit vehement auf die Einrichtung eines eigenen Integrationssstaatssekretariats bzw. -ministeriums gedrängt hat.

Mit dem Konzept, ein Regierungsmitglied für das heikle Thema Integration abzustellen, hat Spindelegger bei seinem Aufstieg zum ÖVP-Obmann und Vizekanzler aber nicht nur strukturell, sondern auch personell einen Glücksgriff getan: Trotz der in Österreich brisanten Materie und Häme zum Amtsantritt heimst Kurz seither gute Haltungsnoten ein. „Werden Sie die ÖVP retten?“, fragte ihn die „Krone“ im großen Sonntagsinterview – ironiefrei.

Die Chemie stimmt

Auch zwischen Mikl-Leitner und Kurz stimmt die Chemie: Der Staatssekretär kann zuhören und mit Kritik umgehen. Ideen bringt er häufig und stets höflich ein. Damit verschaffte er sich schnell Respekt im Beamtenapparat, der den Staatssekretär skeptisch in Empfang genommen hatte. Seine Chefin weiß außerdem zu schätzen, dass er heikle Themen mit ihr zu akkordieren pflegt. Sie lässt ihn dafür politisch leben.

Für die ÖVP selbst decken die beiden mit ihrer Rollenaufteilung komplementäre Zielgruppen ab: Indem er den sympathischen Tausendsassa mimt, soll Kurz liberal-bürgerliche Wähler sowie generell Politikverdrossene ansprechen – mit Ideen zur direkten Demokratie, Angriffen auf Bildungsministerin Claudia Schmied und stammtischkompatiblen Sagern zur Politik insgesamt: „Es ist ein totaler Intrigenstadl“ (im Interview mit der deutschen „Zeit“). Mikl-Leitner wiederum besetzt die Rolle der strengen Polizeiministerin und soll die Flanke zur FPÖ decken. Egal, ob Polizei-Sonderkommandos gegen Kfz-Diebstähle oder die Ausweitung der Polizeibefugnisse zur Abwehr möglicher Terrorbedrohungen: Die Innenministerin ist stets Speerspitze und nimmt dafür verbale Prügel vom linken SPÖ-Flügel und von den Grünen in Kauf.

Von der mühsamen Kleinarbeit zur Integration hat sich die Innenministerin im Gegensatz zu ihren Vorgängern freigespielt. Stattdessen steht sie Spindelegger in der Koalition als „Frau fürs Grobe“ im Match gegen die SPÖ – in diesen Monaten vor allem rund um die Heeres-Volksbefragung – zur Seite.

Wobei: Spindelegger ist nicht der Einzige, auf den Mikl-Leitner hört. Die Ministerin und frühere Landesrätin wurde in Niederösterreich politisch groß, Landeshauptmann Erwin Pröll ist ihr Förderer und Einflüsterer. Kurz hingegen fühlt sich nur Spindelegger verpflichtet. Und Mikl-Leitner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2012)

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