Ungarn: Wählerregistrierung sorgt für Ärger

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Wer sich in Ungarn nicht neu als Wähler registrieren lässt, darf vier Jahre lang nicht bei Urnengängen abstimmen. Die Opposition tobt über das neue Gesetz und spricht von einer weiteren Beschneidung der Demokratie.

Budapest. Ungarns nationalkonservative Regierung von Viktor Orbán sorgt mit einer weiteren Verfassungsänderung für Aufregung. Die Regierungspartei Fidesz beschloss im ungarischen Parlament, eine verpflichtende Wählerregistrierung einzuführen. Wer in Ungarn künftig wählen will, muss sich registrieren lassen. Die Verfassungsänderung sieht vor, dass sich die Wähler entweder persönlich beim Gemeindeamt oder über das Internetportal der Regierung registrieren. Nur im Ausland lebende Magyaren können dies per Brief tun. In beiden Fällen muss die Anmeldung aber bis spätestens 15 Tage vor Parlamentswahlen erfolgen. Die Registrierung gilt für den Zeitraum einer Legislaturperiode, also für vier Jahre, und umfasst auch Gemeinde-, Regional- und Europawahlen. Wer sie versäumt, darf vier Jahre lang an keiner Wahl in Ungarn teilnehmen.

Maßnahme für Doppelstaatsbürger?

Die verpflichtende Wählerregistrierung ist in Ungarn höchst umstritten. Während die Opposition von einer weiteren Beschneidung der Demokratie spricht, führt die Regierung Orbán pragmatische Gründe ins Treffen: Für die Regierung sei die Einführung einer Wählerregistrierung vor allem deshalb notwendig, um den Doppelstaatsbürgern und jenen rund 250.000 Magyaren, die im Ausland arbeiten, die Möglichkeit zu geben, an ungarischen Wahlen teilzunehmen.

Zur Erinnerung: Unmittelbar nach ihrem Antritt im Mai 2010 hat die Regierung Orbán das sogenannte Doppelstaatsbürgerschaftsgesetz verabschiedet, um den rund 2,5 Millionen Auslandsmagyaren die ungarische Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht in Ungarn zu geben. Als weiteres Argument bringt die Regierung vor, mit der Wählerregistrierung das Wahlsystem zu vereinfachen und die Kosten zu minimieren. Rückendeckung für die Regierung gab es hierbei vom Direktor des regierungsnahen Thinktanks „Századvég“, András Lánczi. Gegenüber der konservativen Wochenzeitung „Heti Válasz“ schmetterte er kürzlich das Argument ab, wonach es viele Wähler gebe, die sich erst kurzfristig entscheiden, ob sie wählen gehen oder nicht. Dieses Argument spotte einer verantwortungsvollen Wählerhaltung. Demgegenüber befürchten viele Kritiker, dass die Regierung mit der Einführung der Registrierung das Ziel verfolge, ungebildete und sozial benachteiligte Schichten von Wahlen auszuschließen. In den Augen des Analysten des regierungskritischen Politikforschungsinstituts „Political Capital“, Róbert László, habe es den Anschein, als hätte Fidesz vor jenen unentschiedenen Wählern die größte Angst, die für die Politik wenig Interesse zeigen, sprich: unberechenbar sind.

Heftige Kritik an Regierung Orbán

Die Opposition läuft gegen die Verfassungsänderung Sturm. Ein Abgeordneter der oppositionellen Sozialisten, Zsolt Molnár, bezeichnete die Pflichtregistrierung als „nicht notwendig“. Laut Molnár lehnen 80 Prozent der Ungarn eine Registrierung ab. Inakzeptabel sei, dass diejenigen Wähler, die es künftig versäumen, sich zu registrieren, von allen Wahlen einer Legislaturperiode ausgeschlossen seien. Dies ist weder mit der Verfassung noch mit dem gesunden Menschenverstand vereinbar, sagte Molnár.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2012)


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