Fehlplanung, Chaos, Misswirtschaft, Korruption: Das Skylink-Debakel

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Der neue Terminal kostete doppelt so viel wie geplant - und die verantwortlichen Manager ihre Jobs. Die Justiz ermittelt. Das Debakel ist noch lange nicht ausgestanden.

Wien. Als die Blasmusik aufspielte und die Politiker ihre Lobreden abspulten – da hörte man an diesem 5. Juni 2012 förmlich die Geröllhalde, die den beiden neuen Flughafenchefs, Julian Jäger und Günther Ortner, vom Herzen fiel. Der neue Terminal, der da mit Glanz und Gloria eröffnet wurde, hieß seit wenigen Tagen „Check-in-3“. Namensänderung als Hilfe zur Amnesie? Als wenn nur irgendjemand zwischen Neusiedler- und Bodensee den größten Bauskandal seit dem Wiener AKH so schnell vergessen würde.

Skylink – was ein Symbol für Modernität und Technik werden sollte, entwickelte sich über die letzten Jahre zum Inbegriff für Fehlplanung, Misswirtschaft, Chaos, Korruption und Schlamperei. An den Folgen dieser Giftmischung – Fertigstellung vier Jahre später als geplant und Verdoppelung der Kosten auf rund 800 Millionen Euro – wird der Flughafen noch lange leiden. Schadenersatzklagen in zweistelliger Millionenhöhe sind anhängig, ebenso wird um Forderungen der Exvorstände gestritten, die infolge des Debakels vorzeitig gehen mussten. Dazu kommen hohe Abschreibungen für das Projekt, die viele Jahre rote Spuren in der Bilanz hinterlassen.

Der Wurm steckte in dem Projekt, lange bevor der Spatenstich erfolgt war – wie der Rechnungshof (RH) in seinem vernichtenden Prüfbericht später feststellte. Denn schon in der Planungsphase herrschte Chaos: Die durch die Terroranschläge vom 11.September 2001 verursachte Krise in der Luftfahrt führte dazu, dass der Bau stark verkleinert wurde. Dann wurde wieder erweitert – allein dies verschlang Unsummen. Schon beim Vorentwurf gab es Abstimmungsprobleme zwischen Architekten und Bauplanern. Kein glückliches Händchen hatte der Flughafen bei der Auswahl der Architekten. Die ausgebremste Arge Frank& Partner fand nämlich viele Ideen beim später ausgewählten Konkurrenzprojekt, klagte und bekam recht.

Ob schon damals die Politik, die beim Flughafen eine gewichtige Rolle spielt, mitmischte, werden möglicherweise die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Korneuburg zeigen. Der Flughafen gehört zu je 20% den Ländern Wien und Niederösterreich – und diese haben nicht nur bei der Vergabe von Posten, sondern erst recht bei Großprojekten wie dem Skylink das Sagen.

Bei der Grundsteinlegung 2006 bezifferte der damalige Flughafenchef, Herbert Kaufmann, die Kosten mit 400 Millionen Euro und kündigte die Inbetriebnahme zur Fußball-Europameisterschaft 2008 an. Ein Jahr später kursierten 513 Millionen. 2008, die Fertigstellung war längst verschoben, nannte der damalige Finanzvorstand Christian Domany 657 Millionen.

Dann eskalierte die Situation: Domany wurde über Nacht durch Ernest Gabmann ersetzt, den Stellvertreter von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP). Gabmanns Kassasturz im Juni 2009 bestätigte die Gerüchte vom „Milliardengrab“: 830 Millionen lautete die Schätzung. Dass man Schnittstellenprojekte von gut 100 Millionen wie die Gepäckabfertigung und Sicherheitsschleusen einfach unter den Teppich gekehrt hatte, machte den Skandal noch schlimmer. Jäger und Ortner sprechen jetzt von 760 Millionen – ohne Schnittstellenprojekte. Und die Endabrechnung liegt noch nicht vor.

36 Razzien hat die Justiz seit Juli 2009 durchgeführt, die letzte erst vor wenigen Wochen. Das Material füllt 200 Meter Aktenordner, eine Ende der Untersuchungen wegen Untreue und Betrugs ist nicht in Sicht.

Auf einen Blick

Der neue Terminal Skylink (Check-in-3) ist am 5.Juni 2012 in Betrieb gegangen – vier Jahre später als geplant. Die Kosten haben sich auf 760 Millionen Euro nahezu verdoppelt. Die Ursachen waren laut Rechnungshof Fehlplanung, Missmanagement und das Fehlen eines Generalunternehmers. Vermutet wird Korruption. Die Justiz ermittelt gegen die ehemalige Flughafenführung wegen Untreue und Betrugs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2012)

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