Neue Front in Syrien: PKK kämpft gegen Assads Feinde

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In Syrien bildet sich eine neue Front im Bürgerkrieg heraus: Kämpfer der kurdischen Untergrundorganisation PKK, die mit dem Assad-Regime sympathisieren, gehen in Nordsyrien gegen arabische Rebellen vor.

Istanbul. In Syrien bildet sich eine neue Front im zusehends unübersichtlichen Bürgerkrieg heraus: In der nordsyrischen Stadt Aleppo haben einander Rebellen und Kämpfer des syrischen Arms der kurdischen Untergrundorganisation PKK Gefechte geliefert, bei denen es zumindest 30 Tote gegeben haben soll. Die PKK drohte, Verstärkung nach Syrien zu schicken. Zugleich sollen PKK-Trupps Militärposten an der Grenze zur Türkei unter ihre Kontrolle gebracht haben. Damit wächst die Gefahr, dass die Türkei eingreift.

Aus den Kämpfen zwischen Regimegegnern und syrischen Regierungstruppen haben sich die Kurden bisher weitgehend herausgehalten. Aber jetzt droht eine Konfrontation der PKK mit den vorwiegend aus Arabern bestehenden syrischen Rebelleneinheiten. Ein syrischer Oppositionsvertreter sprach gegenüber der „Presse“ von einer „sehr gefährlichen Entwicklung“. Nach Einschätzung der türkischen Regierung und der syrischen Exilopposition versucht die PKK, ihre Präsenz im Norden Syriens auszubauen. Hauptinstrument ist dabei die „Partei der Demokratischen Union“ (PYD), der syrische Ableger der PKK.

„PKK ist für Assad-Regime“

Nach den Kämpfen warnte der von der PKK dominierte kurdische Dachverband „Union der Gemeinschaft Kurdistans“ die syrischen Rebellen davor, „im Vertrauen auf den türkischen Staat“ gegen die Kurden in Syrien vorzugehen. „Die PKK und ihre Schwesterorganisation PYD sind für das Regime und gegen die Revolution“, sagt Bassam Imadi vom Oppositionsverband Syrischer Nationalrat zur „Presse“.

Kurden und arabische Rebellen in Syrien betrachten einander mit Misstrauen: Viele Araber haben die Kurden in Verdacht, mit dem Assad-Regime zu sympathisieren, um Vergünstigungen für ihre eigene Volksgruppe herauszuschlagen. Vielen Kurde wiederum hegen den Verdacht, dass die Araber in Syrien ein islamistisches System errichten wollen, in dem die Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten wie der Kurden missachtet würden. Kleinere kurdische Parteien sympathisieren aber durchaus mit der Opposition gegen Assad und betrachten die Machtausdehnung der PKK-Schwester PYD mit Argwohn.

Hungerstreik in der Türkei

Nicht nur in Syrien selbst wachsen die Spannungen. Die Türkei werde wohl kaum untätig zusehen, wenn die PKK ihre Position in Nordsyrien immer weiter ausbaue, sagt der syrische Oppositionsvertreter Imadi. Ankara befürchtet, dass die PKK die 900 Kilometer lange Landgrenze benutzen könnte, um Kämpfer für Überfälle in die Türkei zu schleusen. Vereinzelt soll das sogar bereits geschehen sein.

Der türkische Ministerpräsident, Recep Tayyip Erdoğan, hatte schon im Sommer mit Militäroperationen gegen die PKK in Syrien gedroht. Der Einschlag mehrerer Artilleriegranaten aus Syrien hat die Gefahr einer Intervention durch das Nato-Mitglied Türkei im Nachbarland weiter erhöht.

Auch in der Türkei selbst hatte die PKK in den vergangenen Monaten ihre Gewaltaktionen wieder merklich ausgeweitet. Erdoğans Regierung erwiderte die Offensive mit einer Mischung aus militärischer Härte und politischen Zugeständnissen an die Kurden. Von einer Lösung des Konflikts ist die Türkei dennoch weit entfernt. Derzeit befinden sich mehrere hundert kurdische Häftlinge in türkischen Gefängnissen im Hungerstreik, um bessere Haftbedingungen für PKK-Gründer Abdullah Öcalan durchzusetzen.

Attentat auf Luftwaffengeneral

In Syrien wurden derweil die Gefechte zwischen Assad-Gegnern und dem Regime am Dienstag wieder heftiger. Die syrische Luftwaffe bombardierte Rebellenstellungen in Aleppo. In einem Vorort der Hauptstadt Damaskus wurde ein Luftwaffengeneral offenbar von Aufständischen umgebracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2012)

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