Hauptbahnhof kostet eine Milliarde Euro

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Es scheint so etwas wie eine österreichische Tradition zu sein: Wiens neuer Bahnknoten kostet mit 1,001 Milliarden Euro mehr als das Doppelte jener Summe, mit der man ihn einst beim Steuerzahler bewarb.

Wien. Es scheint so etwas wie eine österreichische Tradition zu sein, dass Bauprojekte im Lauf ihrer Entstehung immer teurer werden. Auch der neue Hauptbahnhof reiht sich mittlerweile in diese Tradition ein. Statt der ursprünglich geplanten 420 Mio. Euro spricht das jüngste offizielle Papier der ÖBB bezüglich der Kosten für das Verkehrsbauwerk vom August 2012 von 1,001 Milliarden Euro. Das entspricht Mehrkosten in der Höhe von 138 Prozent.

Das liegt unter anderem daran, dass das Infrastrukturmammutprojekt längst nicht mehr das ist, als was es vor bald zehn Jahren vorgestellt worden ist. „Wir sind absolut innerhalb des Plans“, sagt Konzernsprecher Herbert Ofner. Der inzwischen deutlich höhere Preis habe nichts mit Fehlplanungen zu tun, sondern damit, dass einerseits die Inflation, andererseits eine gewollte Vergrößerung des Projekts die Auftragssumme nach oben getrieben haben. Das stimmt allerdings nur teilweise.

Auf Steuern „vergessen“

Tatsache ist, dass ab 2003 mit einem vergleichsweise günstigen Preis beim Bürger für das Projekt geworben wurde. Auf dieser Basis wurde das Vorhaben von den beteiligten Partnern mit einem sogenannten Letter of Intent praktisch beschlossen. Der Zug war abgefahren, mochte dann kommen, was wolle. Erst später stellte sich heraus, dass ÖBB, Bund und Stadt Wien bei der Veröffentlichung der Kostenschätzung von 420 Mio. Euro einfach „vergessen“ hatten, 20 Prozent Umsatzsteuer und die Inflation während der Bauzeit miteinzubeziehen. Ebenfalls wenig bekannt ist, dass das Beratungsunternehmen, das die Schätzung erstellt hatte, ausdrücklich darauf hinwies, dass die Genauigkeit nur +/– 30 Prozent betrug.

Erst nach der gemeinsamen Absichtserklärung änderten die drei Partner das Projekt, machten „aus der ursprünglich als eine Art besserer Schnellbahnstation geplanten Anlage“ (Gesamtprojektleiter Karl-Johann Hartig) den heutigen Verkehrsknoten.

Es begann die Entwicklung von Rahmen- und Masterplänen aller Art. Als ÖBB-Vorstand Martin Huber, einst Vorstand beim späteren Ausschreibungsgewinner Porr, dem Aufsichtsrat seinen Finanzierungsplan vorlegte, waren die Kosten (Stand: April/Mai 2007) auf 784Mio. Euro angewachsen. Umkehren war zu diesem Zeitpunkt keine Option mehr.

Immerhin hatte man dieses Mal bei der Vorausberechnung der Kosten die Inflation mitberücksichtigt. Und dennoch: Wieder hielten die Zahlen nicht der Realität stand. Bereits am 12.Juni 2007, als ÖBB-Chef Huber den damaligen Verkehrsminister Werner Faymann und Wiens Bürgermeister Michael Häupl zum groß inszenierten Spatenstich bat, war im Kleingedruckten der Projektunterlagen von 886 Mio. Euro die Rede. Zitat aus dem Papier: „Hier ist die Inflationsanpassung der nächsten Jahre bereits berücksichtigt.“

Ein Jahr später musste Huber gehen. Sein Nachfolger, Peter Kluger, durfte dem neuen ÖBB-Aufsichtsratschef, Horst Pöchhacker, der auch eine langjährige Vergangenheit als Porr-Vorstand hat, erneut von Kostensteigerungen berichten. Zunächst 930Mio. Euro, im späteren Rahmenplan des Verkehrsministeriums wurden sicherheitshalber 987 Mio. festgeschrieben. Warum auch die nicht hielten?

„Weil die Kosten für das Baugewerbe schneller stiegen, als wir vorauskalkuliert hatten“, sagt Projektleiter Karl-Johann Hartig. Mit jährlich 2,5 Prozent hat man 2006 gerechnet. Geworden sind es schließlich durchschnittlich 3,16. Und ja, es habe auch geplante Mehrbestellungen in größerem Ausmaß gegeben. Neue Vorschriften für den Betrieb von Weichen, Weichenheizungen für den Winter sowie die dafür nötigen Trafoanlagen schlugen gleich mit mehreren Millionen Euro zu Buche. Ebenfalls neu hinzugekommen ist eine Autoreisezuganlage. Alles in allem Kosten, die sich bis heute auf 25Mio. Euro summierten – und durch Einsparungen im gleichen Ausmaß wieder wettgemacht wurden. Woher also die Mehrkosten?

Um 60 Mio. Euro verschätzt

Schließlich nennt Hartig Zahlen. 120 Mio. Euro wurden demnach durch die stärkere Inflation verursacht, 60 Mio. Euro durch falsche Schätzungen, unerwartete Erschwernisse und Schlechtwetter. Im Vergleich zum Investitionsbeschluss des ÖBB-Aufsichtsrats eine Steigerung von acht Prozent. Zum Vergleich: Die durchschnittlichen Mehrkosten aller Bauarbeiten des Konzerns liegen sonst bei einem Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2012)

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