Inwiefern helfen eigentlich Eierstöcke, die Existenz des Euro zu sichern?

Das Europäische Parlament bemüht sich gerade nach Kräften, der eigenartigen Sehnsucht des Felix Baumgartner nach einer „gemäßigten Diktatur“ eine rationale Begründung zu liefern.

Es gibt vermutlich in ganz Europa momentan keine anderen Jobs, die auch nur annähernd so sorgfältig besetzt werden sollten wie die Führungspositionen der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn von der Qualität der Entscheidungen der EZB hängen in den nächsten Jahren solche Kleinigkeiten ab wie die Existenz des Euro, die drohende Entwertung der Sparguthaben und Altersvorsorgen der Europäer oder das Risiko bürgerkriegsähnlicher Zustände in Südeuropa. Wer in der EZB das Sagen hat ist in dieser doch etwas heiklen Lage daher deutlich wichtiger als die Frage, wer irgendwo in der EU Regierungschef wird oder nicht.

Jeder Mensch, der noch alle Tassen im Schrank hat, würde deshalb bei der in diesen Tagen anstehenden Besetzung eines dieser Topjobs im Direktorium der EZB genau drei Auswahlkriterien anwenden: 1. „fachliche Qualifikation“, 2. „fachliche Qualifikation“ sowie 3. und besonders wichtig: „fachliche Qualifikation“. Das sollte eigentlich jeder Absolvent einer Baumschule kapieren.
Es blieb dem EU-Parlament – das bei der Besetzung mitreden kann – vorbehalten, ein anderes Kriterium für wichtiger zu halten als die fachliche Eignung: nämlich den Besitz weiblicher Geschlechtsorgane. Trotz seiner völlig unbestrittenen Qualifikation für den Job im Direktorium der EZB votierte das Parlament mit 325 zu 300 Stimmen gegen den Luxemburger Kandidaten Yves Mersch, weil der keine Frau ist. „Leider stand nicht die fachliche Qualifikation im Mittelpunkt“, resümierte der deutsche EU-Abgeordnete Burkhard Balz nach dem bizarren Votum.

Mitten in der existenziellen Krise des europäischen Geldes die Verantwortlichen für die angeschlagene Währung anhand des Kriteriums „Eierstöcke“ auszuwählen – noch entschlossener kann sich eine politische Institution nicht der Lächerlichkeit preisgeben und damit gleichzeitig das Geschäft jener betreiben, die dieses Parlament ohnehin für eine entbehrliche Quatschbude halten.

Auf so eine Idee muss eine Volksvertretung erst einmal kommen.

Nun mag man ja durchaus der Ansicht sein, dass ein Männeranteil von gefühlten 95 Prozent in den Chefetagen der europäischen Finanzindustrie kein wünschenswerter Zustand ist. Weil das aber nun mal Faktum ist, bedeutet die politische Forderung des EU-Parlaments nach einer Quotenfrau im Direktorium aus Gründen der Logik, dass damit auch 95 Prozent aller qualifizierten Bewerber für das Amt von vornherein ausgeschlossen werden. Noch dümmer lässt sich Personalauswahl nicht betreiben.

Was das Europäische Parlament da veranstaltet hat, wirkt wie ein Versuch, für die politischen Ansichten des Felix „Wir-bräuchten-eine-gemäßigte-Diktatur“ Baumgartner zu werben.

Das in diesem Zusammenhang gern vorgebrachte Argument, die Spitzenpositionen der Europäischen Union würden ja regelmäßig auch nach anderen nichtfachlichen Kriterien wie etwa nationaler Herkunft vergeben, ist ein ganz besonders sinnwidriges. Denn um zu meinen, ein unbrauchbares Auswahlkriterium (Herkunft) begründe die Notwendigkeit eines zweiten unbrauchbaren Kriteriums (Geschlecht), muss man entweder intelligenzmäßig herausgefordert oder Europaparlamentarier sein.

Dass mehr Frauen in Führungspositionen der Finanzindustrie aufrücken, ist durchaus wünschenswert. Dass dies mittels EU-Genderkabarett geschieht, eher nicht.


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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2012)

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