Fünf Faktoren, die das Rennen ums Weiße Haus entscheiden. Und worauf Sie in der Nacht auf Mittwoch noch achten sollten.
1 Wirtschaftslage und hohe Arbeitslosigkeit
Wäre das einzige Kriterium die Wirtschaftslage, hätte sich Barack Obama den Wahlkampf sparen können: Seit 70 Jahren war die Arbeitslosigkeit (7,8 Prozent) vor einer Wahl nicht so hoch wie diesmal, rechnete der „Economist“ vor. Während Obamas Präsidentschaft sank das Durchschnittseinkommen um 4,6 Prozent. Auch wenn Obama die Krise „geerbt“ hat: Viele Amerikaner werden es ihm anlasten, dass sie heute weniger Geld in der Tasche haben als vor vier Jahren. Hier liegt der erfahrene Manager Mitt Romney klar im Vorteil.
2 Mobilisierung der eigenen Wähler
Die USA sind tief gespalten in zwei relativ ebenbürtige, konsolidierte Lager. Wechselwähler spielen deshalb keine so bedeutende Rolle. Fast wichtiger als das Überzeugen dieser Wechselwähler ist es, die Stammwähler an die Urnen zu bringen. Barack Obama wird es schwer haben, den Mobilisierungseffekt des „Change“-Wahlkampfs 2008 zu wiederholen. Ultrakonservative könnten wiederum zu Hause bleiben, weil Mitt Romney wegen seiner einst liberaleren Positionen und seinem mormonischen Glauben für sie wenig ansprechend ist.
3 Staaten, die den Ausschlag geben
Viele Bundesstaaten haben eine klare republikanische oder demokratische Mehrheit. Hier groß Wahlkampf zu betreiben wäre eine reine Zeit- und Geldverschwendung gewesen. Das Rennen konzentrierte sich also besonders im Finish auf einige wenige Staaten mit unklaren Mehrheitsverhältnissen: Ohio, Florida, Virginia und einige mehr. Die meisten dieser Staaten hat 2008 Barack Obama gewonnen. Dass sie heuer so umkämpft sind, zeigt seinen geschwundenen Rückhalt. 2000 entschied Florida die Wahl zugunsten von George W. Bush.
4 Die Gruppen, auf die es ankommt
Eine „Regenbogenkoaliton“ trug Barack Obama 2008 zum Sieg: Jungwähler, demografische wie gesellschaftliche Minderheiten (Afroamerikaner, Latinos, Homosexuelle) und Frauen. Mehr als der vormalige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain hat Mitt Romney bei weißen Wählern, insbesondere Männern, die Nase vorne. Für eine zweite Amtszeit verheißt Obama den Latinos die überfällige Immigrationsreform, Frauen ködert er mit Angstpropaganda – einer Revision der Abtreibungsregelung bei einem Sieg Romneys.
5 Sturm Sandy, die Oktober-Überraschung
Nicht selten stellt kurz vor der Wahl ein unvorhergesehenes Ereignis den Wahlkampf auf den Kopf. Heuer war dies Hurrikan „Sandy“, der Anfang dieser Woche die US-Ostküste heimsuchte. Solche Naturereignisse nützen tendenziell dem Amtsinhaber – so er es versteht, sich als zupackender Katastrophen-Manager zu präsentieren. Gelingt ihm das nicht, bietet er dem Herausforderer eine willkommene Angriffsfläche. Sogar Republikaner konzedierten Barack Obama, sich in dieser Hinsicht bisher gut geschlagen zu haben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2012)