Rainer Nikowitz: Volksfest mit Außenseiter

Rainer Nikowitz Volksfest Aussenseiter
Rainer Nikowitz Volksfest Aussenseiter(c) Rohwolt
  • Drucken

Der Kolumnist Rainer Nikowitz ist unter die Romanautoren gegangen und reiht sich mit seinem Debüt gleich ziemlich weit oben in die (schräge) österreichische Krimitradition ein.

Jetzt ist es nicht so, dass der Suchanek ein großer Sympathieträger wäre. Weder ist er besonders schön noch klug noch charmant. Erfolgreich? Nicht beruflich, auch nicht im Leben an sich, und schon gar nicht bei Frauen. Menschen mag er sowieso eher nicht. Alles Eigenschaften, die ihn zur Idealbesetzung für den Protagonisten eines Krimis im generellen, und für den österreichischen Krimi im speziellen machen.

Der Suchanek, Hauptfigur in Rainer Nikowitz' erstem Kriminalroman „Volksfest“, ist aber kein Polizist oder Detektiv, Gott bewahre. Er ist – ja, was eigentlich? Vornamen- und arbeitslos, 33 und schon gescheitert. Sein bester Freund ist der Joint, den er täglich zur Bewältigung des Lebens raucht.

Den hat er noch mehr als sonst nötig, als er – und damit beginnt der Roman – nach 15 Jahren freiwilliger Abwesenheit zwangsweise in sein Heimatdorf, das (fiktive) Wulzendorf in Niederösterreich, zurückkehren muss, um Haus und Hund der Eltern zu hüten, während diese eine Busreise unternehmen. Gleich in der ersten Nacht beobachtet der am Balkon kiffende Suchanek einen Brandstifter, der den Heustadl vom Fünfer-Mantler, einem der Großbauern im Dorf, abfackelt. Und blöderweise auch gleich die Gattin vom Fünfer-Mantler, die alle wegen ihrer (Schein-)Heiligkeit die „Heilige Johanna“ nennen.

Mordalarm im Dorf. Leider kann der Suchanek den Brandstifter (der Joint!) so gar nicht identifizieren, weshalb er 1.) im sehr tratsch- und gerüchtefreudigen Dorf selbst verdächtig und 2.) als einziger Zeuge natürlich auch für den Mörder nicht ganz uninteressant ist. Kurz: Gemütlich verläuft sein Wochenende nicht, da hilft auch das namensgebende mehrtägige „Volksfest“ der freiwilligen Feuerwehr nichts.

Der Suchanek ist also in Gefahr und beginnt mit seinem Jugendfreund, dem Grasel, der das einzig nennenswerte Lokal im Dorf führt, das „Route 66b“, nolens volens selbst zu ermitteln, weil auf die Polizei aus dem verfeindeten Nachbarort Bernhardsau ist natürlich so was von kein Verlass. Und es dauert nicht lange, da wird der nächste Wulzendorfer tot aufgefunden.

Rainer Nikowitz, Haus- und Hofsatiriker des Nachrichtenmagazins „Profil“, hat seinen ersten Kriminalroman geschrieben, der sich bestens in die sehr spezielle österreichische Tradition des Krimischreibens einreiht, in der Wolf Haas mit den „Brenner“-Krimis und seinem unverwechselbaren Stil immer noch (und immer noch zu Recht) das Maß aller Dinge ist.

„Volksfest“ erinnert tatsächlich ein bisschen an Haas, ein wenig auch an die „Metzger“-Romane von Thomas Raab, ebenfalls im heimischen Krimigenre tonangebend. Sonst tut sich krimitechnisch in Österreich zwar viel – wenn auch wenig Herausragendes. Von dieser fast unüberblickbaren Masse an Krimi-Neuerscheinungen, meist mit viel Lokalkolorit geschmückte gute Durchschnittsware (aber eben auch nicht viel mehr), hebt sich „Volksfest“ positiv ab.

Zunächst einmal rein stilistisch: Wie Haas und Raab hat Nikowitz seinen sehr eigenen, in hunderten Kolumnen perfektionierten Stil. Wer seine Kolumnen mag, wird auch „Volksfest“, lieben – sofern er auf die politische Komponente verzichten kann. Dafür bekommt man die Nikowitz'sche große Portion Satire und Skurrilität, die jener aus David Schalkos „Braunschlag“ nicht ganz fern ist. Jeder Satz eine Pointe. Quasi.

Auch wenn der Stil dominiert, ist die Handlung klug und durchdacht. Alle im Dorf sind irgendwie verdächtig, weil jeder aus der Vergangenheit Geheimnisse und Intrigen mitschleppt, die sich Suchanek (als „Fremder“ in dem Dorf seiner Kindheit) und mit ihm auch dem Leser nach und nach entfalten.

Vielleicht hätte der Autor, wenn man denn ein wenig Kritik üben möchte, den Roman ein bisschen straffen können: Die Zahl der Charaktere ist fast unüberschaubar groß, was dem Autor auffallen hätte können, als er dem Krimi ein Personenregister mit Kurzbeschreibungen voranstellen musste (das man als Leser tatsächlich immer wieder konsultieren muss). Trotzdem und ohne Zweifel: Bitte gern mehr vom Suchanek.

Neu Erschienen

Rainer Nikowitz
Volksfest
Rowohlt TB
319 Seiten
9,99 Euro

Buchpräsentation

am Do., 8. November (20 Uhr) im Rabenhof in Wien. Karten: www.rabenhof.at oder 01/712 82 82

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.