Ein zweites Griechenland dürfte Slowenien nicht werden. Der nächste Kandidat für den Euro-Rettungsschirm dürfte der einstige EU-Musterschüler aber schon eher. Auch wenn die Regierung das noch ausschließt.
Wien. Die Worte des slowenischen Wirtschaftsministers klingen verdächtig bekannt: „Ich sehe auch in weiterer Folge keine Notwendigkeit dafür, um EU-Hilfen anzusuchen“, sagte Radovan ?erjav am gestrigen Dienstag bei einem Besuch in Wien. Seit Monaten wird darüber spekuliert, ob und wann der einstige EU-Musterschüler unter den Rettungsschirm schlüpft. Die slowenische Regierung schloss das bisher aber aus. So wie auch die Regierungen jener Krisenländer rund um Griechenland und Portugal, kurz bevor sie die Hilfsgesuche tatsächlich gestellt haben. ?erjav, wie auch der Rest der Mitte-rechts-Regierung in Laibach, will vom Rettungsschirm nichts wissen: „Das Blutbild Sloweniens ist nicht so schlecht, wie es manche darstellen“, sagte er nach einem Arbeitsgespräch mit Österreichs Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP).
Gut ist es aber auch nicht gerade. Anfang Oktober senkte die Zentralbank des Landes ihre Konjunkturprognose: Statt um 1,2 Prozent werde die slowenische Wirtschaft heuer gar um 1,8 Prozent schrumpfen, 2013 werden es anstelle von 0,6 Prozent Wachstum minus 0,7 Prozent sein. Trotzdem hält die Regierung an ihren Defizitzielen fest: 2013 soll es auf unter drei Prozent gedrückt werden und damit die Maastricht-Kriterien erfüllen, nach 3,7 Prozent Defizit im heurigen Jahr. Bis 2015 soll der Haushalt ausgeglichen sein.
Die US-Ratingagentur Standard & Poor's lässt sich davon nicht beeindrucken und drohte Slowenien gestern damit, ihm das „A“-Rating zu entziehen. Im Sommer stuften bereits alle drei großen Ratingagenturen – neben S & P sind das Moody's und Fitch – Sloweniens Bonität herab. S & P sieht die Reformbemühungen der Regierung durch ein Referendum in Gefahr. Slowenien wurde ein Kredit- und Bauboom, ausgelöst durch niedrige Zinsen nach dem EU-Beitritt 2004, zum Problem. Das Land wird deshalb auch das „Spanien Zentraleuropas“ genannt. Wie Spanien kämpft auch Slowenien weniger mit seinen Schulden als mit seinen Banken. In der Finanzkrise platzte die Blase, fast alle großen slowenischen Baufirmen gingen pleite, übrig blieben vor allem faule Kredite. Ende 2011 waren laut der Zentralbank in Laibach 18 Prozent der Firmenkredite ausfallsgefährdet.
Mit Dollar-Anleihe Zeit gekauft
Die führenden slowenischen Banken sind mehrheitlich in staatlicher Hand, Kredite wurden oft nach politischem Einfluss vergeben. Schätzungen zufolge kostet die Bankensanierung bis zu fünf Mrd. Euro. Nun wurde eine Bad Bank beschlossen, die den Banken faule Kredite abnehmen soll. Außerdem will die Regierung eine Staatsholding gründen, die Unternehmensbeteiligungen der öffentlichen Hand verwalten soll. Die Opposition will ein Referendum dagegen durchsetzen. Die Gewerkschaften kündigten für November Proteste gegen Reformen bei den Pensionen und dem Arbeitsmarkt an. Das Referendum gegen die Bad Bank ist dagegen laut Wirtschaftsminister ?erjav vom Tisch.
Für Gunter Deuber, Analyst bei Raiffeisen Research, ist die Gefahr damit aber noch lange nicht gebannt. „Im Moment braucht Slowenien keine Finanzhilfen. Das heißt aber nicht, dass das in den nächsten sechs Monaten so bleiben muss“, sagt Deuber. Vor Kurzem hat das Land eine Anleihe im Volumen von 2,25 Mrd. Dollar mit einer Rendite von 5,7 Prozent begeben. „Damit hat man sich Zeit gekauft. Aber jetzt muss man einiges umsetzen, um den Vertrauensvorschuss nicht zu verbrauchen“, so Deuber. Ein zweites Griechenland dürfte Slowenien nicht werden. „Slowenien ist eine offene, wettbewerbsfähige Volkswirtschaft. Wenn man ein paar Reformen umsetzt, kann man in zwei Jahren wieder mit ordentlichen Wachstumsraten rechnen.“
Österreichs Firmen ohne Sorge
Österreich ist der größte Investor in Slowenien, rund 700 heimische Firmen sind im Nachbarland tätig. 2011 stiegen Österreichs Exporte nach Slowenien um 3,2 Prozent auf 2,3 Mrd. Euro, die Importe betrugen 1,6 Mrd. Euro. Die österreichischen Betriebe in Slowenien sorgen sich laut Wirtschaftsminister Mitterlehner nicht, sondern gingen weiter von einer „prosperierenden Entwicklung“ aus. Deuber von Raiffeisen sieht das ähnlich: „Für die Unternehmen, die schon auf dem Markt sind, sehe ich keine unmittelbaren Gefahren.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2012)