Mr. Columbo trifft André Heller – das ist Brutalität

Gerald Votava
Gerald VotavaClemens Fabry
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Ausgelassen und frech inszeniert Hausherr Thomas Gratzer im Theater Rabenhof die schräge Waldeck-Show „Columbo Dreams“. So macht man eben Kino in Erdberg.

Die Fähigkeiten der Bühnenfigur Alfred Costanza reichen zwar detektivisch nicht ganz an jene eines berühmten Inspektors aus Hollywood heran, aber dennoch nimmt man dem Schauspieler Gerald Votava das Vorbild gern ab. Er huscht im abgerissenen hellen Staubmantel durch die Szenen, kratzt sich am Kopf, greift weit mit den Armen aus, saugt an der Zigarre – und da fühlt man fast: Hier im Rabenhof ist Mr. Columbo zu Gast. Die Inszenierung von „Columbo Dreams“, das am Mittwoch uraufgeführt wurde, hat der Chef persönlich zubereitet. Thomas Gratzer bietet alles in allem tatsächlich knapp zwei Stunden „Screwball, Crime & Showmusik“ auf unterhaltsame Weise, von Peter Waldeck getextet und von Klaus Waldeck komponiert. Das Ensemble hat diesen Irrsinn dann auch noch ausgelassen zelebriert und wurde vom Publikum entsprechend gefeiert.

Die tragikomische Wiener Variante Columbos, von Votava mit viel Herz gespielt, braucht einen starken Antagonisten. Den findet er tatsächlich in Manuel Rubey – eine Schallplatte ertönt, Erika Pluhar singt „Es war einmal“, und schon ist er da als Zeitgeist der Siebzigerjahre: Das Vorbild, dem Rubey mit gewagter silberschwarzer Haartolle und blaugetönter Nickelbrille und sonst ohne allzu grobe Übertreibung nacheifert, ist André Heller. Ausgerechnet dieser friedfertige, im richtigen Leben geradezu sanfte Universalkünstler dient hier als Bösewicht, inkarniert in der zirzensischen Figur des Valentin Kempinsky, der eher prahlerisch als elegant gekleidet ist und, bewaffnet mit Ebenholzstock samt Silberknauf sowie nachtschwarzem Colt, sein Unwesen treibt. Zugleich kreiert er Wortkostbarkeiten, die in kollektiven Anfällen von Heiterkeit belacht werden.

Weil aber ein Hahnenkampf von zwei solch charaktervollen Protagonisten im Rabenhof auf die Dauer zu anstrengend wäre, wurde das Ensemble sinnvoll ergänzt. Christian Dolezal und Adem Karaduman sorgen für Slapstick in diversen Rollen. Beim Jonglieren mit Fischen und anderen Meeresfrüchten setzen sie einen neuen Standard für die Vorstadt, ihre Polizeieinsätze mit totalem Schusswaffengebrauch sind praktisch gelungene Bewerbungen fürs Aufbrezeln billiger TV-Krimis im Vorabendprogramm.

Verfolgungsjagd fast wie im Kino

Eva Maria Marold schließlich beherrscht als Mutter Costanza und TV-Diva Vera Stockholm das schräg Angeschnittene der Screwball-Komödie – auch vokal. Im Finale wird für Tempo gesorgt. Gut so, denn vor der Pause werden die Gags aus Übermut ein bisschen zu ausführlich gefeiert. Die rasanteste Sequenz ist umfassendes Teamwork: Eine Verfolgungsjagd, bei der das Auto (ein Schild) samt Besatzung fix in der Bühnenmitte bleibt, während Komparsen links und rechts die Landschaft plakativ vorbeisausen lassen. So macht man eben Kino in Erdberg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2012)

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