Kaplan Spitzer und die Macht der Freundschaft

Freundschaften können den Charakter stärken, und sie können Leben retten. Wozu bewegen mich meine Freundschaften?

Hans Spitzer wurde 1929 Kaplan in Lainz im 13. Wiener Gemeindebezirk. Auch als Priester blieb er leidenschaftlicher Landwirt, Winzer und Jäger. Er war Couleurstudent der Verbindung Kürnberg. Mit der Lainzer Jugend inszenierte er Passionsspiele.

Im damals noch dörflichen Lainz entstanden bald enge Freundschaften. An Freitagabenden traf man sich, bei Kartenspiel und Wein wurde herzhaft gelacht. Die Freundschaften wuchsen auf Reisen sowie bei regelmäßigen Besuchen in Spitzers heimatlichem Weinkeller in Hautzendorf. Spitzer hatte für den Nationalsozialismus nichts übrig, er war judenfreundlich eingestellt. Als 1941 die systematische Verfolgung und Deportation von Juden einsetzten, formierte der Lainzer Freundeskreis eine Widerstandszelle.

»Da lehnte sich dieser zurück an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist es?

«

Joh 13,25

Im Pfarrhof und in der Wohnung von Vilma Lefkovits in der Feldkellergasse fanden untergetauchte Juden Unterschlupf. Manche konnten über Hautzendorf ins Ausland entkommen. Obwohl lokale NS-Behörden von Spitzers politischer Einstellung wussten, flog die Gruppe nicht auf. Ihre Aktivitäten wurden erst 1999 durch Zufall bekannt.

Geheimer Widerstand gegen das Nazi-Regime war nur in einem Netz starker und absolut zuverlässiger Freundschaften möglich. Freundschaften entwickelten sich unter religiös motivierten Christen ebenso wie unter politisch motivierten Sozialisten zu einem Schutzbunker für höchst bedrohte Mitbürger.

Freundschaft im höchsten Sinn, so Aristoteles, beruhe auf Tugenden wie Mut, Gerechtigkeit, Freigebigkeit, Einfühlsamkeit, und Freundschaft helfe dazu, diese Tugenden zu entwickeln und auszuprägen.

Biblische Erzählungen zeigen, wie Freundschaften in Krisensituationen besonders bedeutsam werden. Als David in Gefahr ist, von König Saul ermordet zu werden, vertieft sich Davids Freundschaft mit Jonathan, sie schließen einen lebenslangen Freundschaftsbund.

Als Jesus nach der Fußwaschung über den baldigen Verrat aus dem Jüngerkreis spricht, fragt ihn Johannes, wer der Betreffende sei. „Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt“, sagt der Weisheitslehrer Jesus Sirach, „wer einen solchen findet, hat einen Schatz gefunden. Für einen treuen Freund gibt es keinen Preis, nichts wiegt seinen Wert auf.“

Freundschaft ist unnotwendig wie Philosophie, wie Kunst, wie das Universum selbst“, schreibt C. S. Lewis. „Sie hat keinen Überlebenswert; vielmehr ist sie eines jener Dinge, die dem Überleben Wert geben.“

Freundschaften sind Oasen in trockenen und kraftraubenden Beziehungsgeflechten. Mit den engsten Freunden wird Einfaches zur größten Freude. Freundschaften können den Charakter stärken und Leben retten. Wozu bewegen mich meine Freundschaften?

Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


E-Mails:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2012)

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