Frau „Fini“ und ihre KPÖ-Millionen

Rudolfine Steindling
Rudolfine SteindlingAPA (Undatiertes Archivbild)
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Nach dem Tod der Chanel-Kommunistin Rudolfine Steindling geht die Suche nach dem Geldschatz aus der DDR munter weiter. – Ein Krimi nach der deutschen „Wende“.

In den Neunzigerjahren, nach der „Wende“ in Deutschland, war Goldgräberstimmung angesagt. Wer schlau, wer skrupellos genug war, wer genügend Netzwerke zu den alten kommunistischen Kadern der Deutschen „Demokratischen“ Republik DDR besaß, der konnte im Vorübergehen Millionen einstreifen. Denn die gewaltigen Finanzmittel der verblichenen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) waren mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten herrenlos geworden: Immobilien, Liegenschaften jeglicher Art, Geld, Gold, Druckereien, eine Filmfirma, freilich auch so mancher Schuldschein.

Eine Schlüsselfigur dieser turbulenten Jahre war die Wienerin Rudolfine Steindling, die kürzlich in ihrem israelischen Zweitwohnsitz 78-jährig verstorben ist. Ihre Geschichte ist untrennbar mit dem Gezerre um die ostdeutschen Millionen verbunden, die das neue Gesamtdeutschland nach der Wende beschlagnahmt hatte.

Man nannte sie „die rote Fini“

Denn „die rote Fini“ war bis 1969 Mitglied der österreichischen Kommunisten. Und Treuhänderin für ihre Partei. Sie kontrollierte eine Firma am Wiener Kohlmarkt, die jahrzehntelang die KPÖ mästete. Dessen ungeachtet wurde die alte Dame von den heimischen Nadelstreifsozialisten hofiert, Handküsse da, Wangenbussi dort, die heutige Unterrichtsministerin setzte sie in zwei Aufsichtsräte. Warum? Sie war zugleich eine großzügige Sponsorin. Die Wiener und die Israel Philharmoniker wussten dies ebenso zu schätzen wie viele wissenschaftliche Institutionen in Israel. Steindlings verstorbener Mann war ein Überlebender des Holocaust.

In den Neunzigern begann also das Hauen und Stechen um das Vermögen der SED. 6,2 Milliarden DDR-Mark waren aufzuteilen. Unter vielen anderen Beteiligungen besaß diese KP auch die Außenhandelsfirma Novum. 1992 verzichtete die Nachfolgerin der DDR-Kommunisten, die PDS Gregor Gysis, notariell auf sämtliche Auslandsvermögen der SED. Die Treuhandgesellschaft kassierte die Guthaben ein.

Die Novum machte gute Geschäfte

Doch da trat die charmante österreichische Kommerzialrätin auf den Plan. Sie behauptete, einen Millionenbatzen treuhänderisch für ihre heimische KPÖ erworben zu haben. Eben über die Novum, die 1951 in Ostberlin unter der Aufsicht der DDR-Behörden gegründet worden war und von ihr in Wien als Geschäftsführerin geleitet wurde. Novum kassierte Provisionen von österreichischen Unternehmen, wenn diese Geschäfte mit der DDR machten. Ohne Steindlings Firma ging da so gut wie nichts. Für ihre Vermittlerdienste kassierte Frau Rudolfine auf Konten in Zürich und Wien. Die Novum-Geldflüsse liefen über die frühere Länderbank – die heutige Bank Austria. Dass Franz Vranitzky eine Zeitlang Länderbank-Chef war und seine Frau als enge Steindling-Freundin gilt, wäre eine unlautere Vorhaltung. Zum Steindling-Freundeskreis zählten beileibe nicht nur höchste SP-Politiker.

Ein wichtiges Beweismittel – futsch

Als Deutschland später die Herausgabe der Gelder verlangte, landeten die Millionen bei der Bank-Austria-Tochter in der Schweiz. Die Treuhand argumentierte, dass es sich um Staatsbesitz handle, weil die Novum in Wahrheit eine Tarnfirma der SED gewesen sei. Seit 1992 prozessierte die Novum-Chefin um Herausgabe von 255 Millionen Euro aus der Beute.

In erster Instanz 1996 bekam sie recht – Deutschland berief sofort. So einfach gaben die Deutschen im Kampf um „Finis Feinstes“ nicht auf. Die Sache wäre leicht zu klären gewesen, wenn man die authentische Treuhanderklärung der Kommerzialrätin in der Hand gehabt hätte. Doch – leider, leider – die war im Laufe des jahrelangen Prozesses irgendwie aus dem Akt verschwunden...

Zürich – Wien – Zürich...

Steindling vertraute nicht der irdischen Gerechtigkeit. Was man ihr nicht verdenken konnte: So hob sie zur Sicherheit rund 450 Millionen DM von ihren Schweizer Konten ab. Das Geld wurde zwischen Wien und Zürich hin- und hergeschoben, bevor es – erraten! – verschwand. Die Wiener KPÖ – ganz fromm – schwor Stein und Bein, keinen Cent bekommen zu haben. Peinliche Ermittlungen begannen. Ein Mitarbeiter der Bank Austria in Zürich kam wegen Verletzung der gesetzlichen Sorgfaltspflicht vor Gericht, wurde aber 1996 freigesprochen. Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), die dem Verschwinden der DDR-Gelder nachgeht, wirft der BA vor, an der Veruntreuung der DDR-Gelder teilgenommen zu haben und so Sorgfaltspflichten verletzt zu haben. „Frau Steindling und die Bank Austria haben gemeinsame Sache gemacht“, sagen die deutschen Anwälte.

Muss die Bank Austria zahlen?

230 Millionen Euro verlangte die Schweiz als Schadenersatz, im Vorjahr verurteilte ein Gericht die BA zur Rückzahlung. In zweiter Instanz. „Wir haben die Millionen nicht“, beteuert man dort. Steindling habe das Geld als KP-Treuhänderin abgehoben.

Die spendable Kommerzialrätin, die im Laufe der vielen Prozessrunden einmal zu Protokoll gab, sie hätte auch ihr Todesurteil unterschrieben, weil sie sich die Verträge nicht so genau ansah, war für die ostdeutschen Kommunisten eine tolle Partnerin. Beide Teile profitierten. Sie glich einem kleinen Rädchen im gut geschmierten Apparat der DDR-Wirtschaftsbetriebe, der von Alexander Schalck-Golodkowski meisterhaft beherrscht wurde. Der Devisen-Zampano gehört inzwischen der Zeitgeschichte an. Die vermeintlichen KPÖ-Millionen auch.

Parlamentsuntersuchung

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Berlin fand nicht nur im KPÖ-Fall eine Menge von Ungereimtheiten und fatalen Versäumnissen der deutschen Finanzbehörden. 92 Zeugen und Experten traten vor dem Gremium auf, die Mandatare sichteten 213.653 Seiten Dokumente. Aber das Ergebnis war mager.

In vielen Fällen war stets die Schweiz eine sichere Zuflucht, um gehamsterte Millionen zu horten. Die Abgeordneten orteten eine Schweizer Firma, die von einem Österreicher kontrolliert wurde, den einst die ostdeutsche Auslandsspionage als „Inoffiziellen Mitarbeiter (IM)“ geführt hatte. Er versorgte in den Achtzigerjahren die DDR mit Embargo-Waren, vor allem mit Mikroelektronik. Im Frühjahr 1990 versickerte das Geld, immerhin 167,6 Millionen DDR-Mark, die offensichtlich aus dem Technologiehandel stammten, in Form von Darlehen an ostdeutsche Geschäftspartner.

Die Mäzenin

In Israel galt die Wiener Kommerzialrätin, die in keiner Weise einer enragierten Kommunistin glich, als außerordentlich großzügige Sponsorin. Sie ließ Geld für die Universität Tel Aviv springen, sie unterstützte österreichische Kulturaktivitäten reichlich, so die größte je auf Reisen geschickte Sigmund-Freud-Ausstellung. 2002 reiste der damalige Kunststaatssekretär, Franz Morak, als erstes Mitglied der VP/FP-Regierung Schüssel zu einem offiziellen Arbeitsbesuch nach Israel, traf Politiker – und Frau Steindling. Sie war auch bei Franz Moraks zweiter Visite dabei, schwärmte für Renato Zanella und unterstützte auch das Wiener Staatsopernballett in besonderer Weise. Am 28.Oktober starb sie in Israel.

Aufwind in Graz

Ein Gutes – aus Sicht der KPÖ – hat letztlich der herbe Millionenverlust dennoch. Bis zum Ende der Neunzigerjahre war die KPÖ die reichste österreichische Partei – dank der Novum-Gewinne. Unsympathisch, aber reich. Träge, weil saturiert. Sie konnte eine Tageszeitung herausbringen und einen aufgeblähten Parteiapparat unterhalten. So war die Wiener Bundeszentrale die Herrin des Geschehens und der Politik. Seit dem Verlust dieser Einkommensquelle ist die Bundeszentrale so gut wie nicht mehr vorhanden. Jetzt kommt es auf die einzelnen Landesverbände an. Diese neue Freiheit nutzt die steirische KPÖ besonders in Graz für die Unterstützung des „kleinen Mannes“. Was ihr mit vielen Millionen nicht gelang, schaffte sie erst jetzt: Sie sitzt im steirischen Landtag und im Grazer Stadtrat. Und ist dort bereits Nummer zwei nach der ÖVP – sagen die jüngsten Umfragen...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2012)

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