In der Todesspirale geradewegs in die Staatspleite

Die Eurozone drückt sich um die notwendige Entscheidung, ob sie Griechenland in die Staatspleite schicken oder Schulden erlassen soll. Ein teures Zaudern.

Wenn sich die Finanzminister der Eurozone heute, Montag, zu einem voraussichtlich wieder einmal ergebnislosen Treffen über die weitere Griechenland-Hilfe zusammensetzen, dann werden einige von ihnen wohl eine mit gelben Markierungen versehene Samstagausgabe der belgischen Tageszeitung „De Tijd“ im Gepäck haben. Die enthält nämlich ein Interview mit EZB-Direktor Jörg Asmussen, in dem dieser Klartext spricht: Trotz des jüngsten Forderungsverzichts privater Gläubiger liege die Verschuldung Griechenlands schon wieder bei 175 Prozent des BIPs und werde im kommenden Jahr wohl auf 190 Prozent steigen.

Kurzum: Die angepeilte Absenkung der griechischen Staatsschuld auf 116,5Prozent der Wirtschaftsleistung bis 2020 sei völlig illusorisch, auch die von der sogenannten Troika aus EU, IWF und EZB geschätzte Absenkung auf 130 Prozent ist damit reines Wunschdenken.

Wundern sollte man sich darüber jedoch nicht: Das Land steckt in einer „Todesspirale“, aus der es allein nicht herauskommt. Jede einschneidende Sparmaßnahme führt logischerweise zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung. Jeder BIP-Rückgang erhöht aber, der Logik dieses Systems folgend, die prozentuell am BIP gemessene Schuldenquote. Was klarerweise einen noch schärferen Tritt auf die Ausgabenbremse erfordert, womit wiederum... siehe oben. Selbst wenn Griechenland seine Neuverschuldung auf null stellte, würde die Schuldenquote also weiter steigen.

Diese geradewegs in die Staatspleite führende Spirale ist ab einem gewissen Schuldenniveau und einer bestimmten Zinsenhöhe nicht mehr zu stoppen. Griechenland hat in beiden Fällen den Point of no Return schon lange und deutlich überschritten.

Da hilft es gar nichts, dass das Land bei allen immer noch vorhandenen Strukturschwächen bereits eine, wie der deutsche „Wirtschaftsweise“ Peter Bofinger meint, „wahre Herkulesaufgabe“ in Sachen Sanierung hingelegt und seinen konjunkturbereinigten Budgetsaldo seit 2009 um 14 (!) Prozentpunkte verbessert hat. Dieses konjunkturbereinigte Defizit ist unterdessen niedriger als das von Japan, Großbritannien oder der USA. Die „operative“ Budgetlage gemessen am Primärsaldo ist jetzt nicht viel schlechter als die von Österreich im Krisenjahr 2009. Das hilft aber alles nichts, wenn die Belastungen aus dem überdimensionierten Schuldenrucksack alles andere erdrücken.

In dieser Situation hat die Euro-Gruppe genau zwei Möglichkeiten:
•Sie führt einen radikalen Schnitt bei den griechischen Außenständen der EZB und der Eurostaaten durch und bringt die Schuldenquote damit auf einen beherrschbaren Wert zurück. Gleichzeitig stellt sie sicher, dass Griechenland seine begonnenen, aber noch nicht ausreichenden Strukturreformen weitertreibt. Das kostet die Euro-Regierungen Milliarden (und wohl auch Wählerstimmen), ist aber die billigste Variante.
•Sie dreht nach der Methode „lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ den Geldhahn zu, treibt Griechenland in die Staatspleite und aus dem Euro. Das ist natürlich teurer, weil dann das ganze Geld weg ist und auch noch schwer einschätzbare Schockwellen die gesamte Eurowirtschaft beuteln.

Die Eurozone hat sich aber offenbar für den teuersten (und wohl auch dümmsten, aber tagespolitisch opportunsten) dritten Weg entschieden: Man verschleppt die Lösung unter Einsatz Dutzender weiterer Milliarden, bis ein Wunder geschieht oder zumindest die deutschen Wahlen im kommenden Jahr vorbei sind. Nach dieser Variante, an deren Ende erst wieder die Frage nach Schuldenschnitt oder Staatspleite steht, sieht es jetzt leider aus.

Der oben zitierte Peter Bofinger hat in seinem jüngsten Buch („Zurück zur D-Mark?“) ein Szenario entworfen, in dem Außerirdische auf der Erde landen und versuchen, ausschließlich anhand der objektiven makroökonomischen Daten die Krisenregionen zu orten. Fazit: Die Aliens würden die Krise in Japan und Indien, eventuell auch noch in den USA vermuten. Dass sie stattdessen in der Eurozone grassiert – dafür gibt es nur einen Grund: großflächiges politisches Versagen in der EU. Seite 9

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2012)

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