Estibaliz C.: Bild der Killerin bekommt Risse

(c) EPA (HELMUT FOHRINGER)
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Die Eissalonbesitzerin Estibaliz C. stellt die ihr zugeschriebene Rolle einer "eiskalten" Person, die der Boulevard zuletzt vielfach skizzierte, infrage: Fortsetzung der "Kellerleichen-Verhandlung".

Wien. Zweiter Tag im Mordprozess gegen die Eissalonbesitzerin Estibaliz C.: Nachdem die Spanierin am Montag geschildert hatte, wie sie 2008 ihren Exmann Holger H. und 2010 ihren damaligen Lebensgefährten Manfred H. erschoss, schien am Dienstag das Bild einer – laut Anklage – „eiskalten, hinterhältigen, manipulativen“ Frau erste Risse zu bekommen. Die der 34-Jährigen zugeschriebene Rolle des berechnenden „Todesengels“ – eine Rolle, die der Boulevard zuletzt vielfach skizzierte – sorgte für erste kritische Geschworenenfragen.

„Was gibt es nach drei Monaten an einer Frau zu bemängeln?“ Halblaut gesagter Nachsatz: „Ging es ums Putzen?“ Mit ebendiesen Fragen an einen Zeugen ließ eine Laienrichterin aufhorchen. Der Angesprochene, der 48-jährige J., hatte bestätigt, vor etwa vier Jahren für „drei, vier Monate“ mit Estibaliz C. liiert gewesen zu sein. Doch C. habe letztlich seinen Vorstellungen nicht entsprochen, unter anderem sei es um Fragen des Haushalts und der Hausarbeit gegangen. Auf erwähntes Nachfragen einer Geschworenen – die Bank besteht aus vier Frauen und vier Männern – hatte der Zeuge dann aber keine klare Antwort.

Rudolf Mayer, einer der beiden Verteidiger, hakte nach, indem er aus einer früheren Einvernahme des Zeugen J. zitierte: „Sie war eine ideale Liebhaberin, hat gekocht und die Wohnung hat sie auch super geputzt. Ich weiß nicht, was Sie noch gestört hat.“

Und auch Richterin Susanne Lehr interessierte sich im Rahmen des groß angelegten Zeugenaufmarsches – darunter eben auch Männer, mit denen Estibaliz C. intime Beziehungen eingegangen war – für jene Eindrücke, die diese Männer von der Spanierin gehabt haben: „Wie haben Sie sie erlebt? War sie eher devot oder eher selbstbestimmt?“

Somit geriet die Gefühlswelt, ja die Psyche jener Frau, die zwei Männer von hinten erschossen, danach zerstückelt, eingefroren und letztlich im Keller ihres Meidlinger Eissalons einbetoniert hatte, mehr und mehr in den Mittelpunkt. Jemand, der darüber wohl gut Auskunft geben könnte, nämlich der Ehemann der Angeklagten, der Wiener Roland R., hatte einen Ein-Minuten-Auftritt: Er entschlug sich der Aussage und verließ postwendend den Saal.

Indessen saß Estibaliz C. zwischen zwei Justizwachebeamtinnen auf der hölzernen Anklagebank und verfolgte mit scheuem Gesichtsausdruck – und wieder in ihrem schon am Montag getragenen dezenten, grauen Kleid, das Geschehen. Gleich zu Beginn hatte sie erklärt, dass sie gegen „Angst, Herzrasen, Schweißausbrüche und Schlafstörungen“ mehrere Beruhigungsmittel nehme – so wie auch vor ihren Gerichtsauftritten.

Aber auch ganz andere medizinische Anknüpfungspunkte gab es zu berichten. Auf Fragen des Senats erzählte sie, dass Manfred H., ihr zweites Opfer, sich über ihr Aussehen und ihre Figur beschwert und sie auch zu kosmetischen Operationen gedrängt habe. „Er wollte eine junge Freundin zum Herzeigen.“ So habe sie sich Injektionen gegen Fältchen verabreichen lassen. Und: „Ich musste einen erotischen Mund für ihn haben.“

Zeuge: „Harmonische Ehe“

Indessen waren auch aus dem italienischen Udine vier Zeugen angereist, drei Beamte der Polizei und jener Straßenmusikant, in dessen Wohnung Estibaliz C. während ihrer Flucht im Juni 2011 zwei Tage verbracht hatte. Letzterer erzählte, dass C. „in einem verwirrten Zustand“ gewesen sei, er habe schließlich die Polizei gerufen.

Auch der Trauzeuge von Holger H., dem ersten Opfer, trat am Nachmittag in den Zeugenstand: „Es war eine insgesamt harmonische Ehe“, erklärte er dem Gericht. Holger H. sei zunächst „sehr zufrieden“ gewesen, doch nach dem Umzug nach Wien und der Eröffnung des Eissalons in der Oswaldgasse sei „Unzufriedenheit auf beiden Seiten“ eingekehrt, an deren Ende eine einvernehmliche Scheidung gestanden sei.

Als Holger verschwand, habe er befürchtet, „dass er Opfer eines Verbrechens geworden sein könnte“ und zugleich „das abstrakte Gefühl gehabt, dass das etwas mit Esti zu tun haben könnte“. Diese habe ihm allerdings versichert, ihr Exmann habe „seine Sachen gepackt und sich auf und davon gemacht“. Das Urteil ist nun schon für Donnerstagabend geplant.

Auf einen Blick

Richterin Susanne Lehr versuchte das Gefühlsleben der Angeklagten zu ergründen. Die Vorsitzende befragte deren frühere Liebhaber, wollte wissen, wie diese Estibaliz C. (34) erlebt haben. Das Urteil erwartet Lehr für Donnerstag, Freitag sei nur „Reservetag“. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2012)

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