Steyr-Chef: „Es gibt einen Weg für die Jungen“

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Mitte der 1990er war die Steyr-Traktorenfabrik in St. Valentin so gut wie tot. Heute stehe dort die Europazentrale eines Weltkonzerns, erzählt Andreas Klauser der „Presse“.

Die Presse: Als wir vor vier Jahren geredet haben, war die globale Landwirtschaft in der gleichen Lage wie heute: steigende Preise, knappere Flächen, teurer werdender Diesel und Dünger. Goldene Zeiten also für Sie?

Andreas Klauser: Genau so ist es. Wir haben heute Traktoren mit bis zu 600 PS, die auf den Großbetrieben in Nord- und Südamerika 18, 20 Stunden am Tag in Betrieb sind. Diese Maschinen sind satellitengesteuert und können bis auf 2,5 Zentimeter genau pflügen. Wenn Sie ein Feld haben, fünf Kilometer lang, drei Kilometer breit, sparen Sie sich zwei Fahrten. Bei den derzeitigen Preisen für Düngemittel, Saatgut, Treibstoff rechnet sich das plötzlich. Übrigens geht das, ohne den Boden kaputt zu machen: Wir haben Raupenlaufwerke beim 600-PS-Traktor; wenn Ihnen der über die Zehen fährt, spüren Sie das nicht einmal.

Ich vermute, acht von zehn Österreichern würden bejahen, dass die Rohstoffspekulanten am globalen Hunger schuld sind. Wo stehen Sie in dieser Debatte?

Zu einem gewissen Anteil treiben natürlich Spekulanten die Preise. Aber das hat auch damit zu tun, dass sich global die großen Landwirte komplett in die Hand von Tradern begeben und auch sämtliche Lagerkapazitäten dorthin abgegeben haben. Als der Preis nicht interessant war, war der Landwirt natürlich froh, dass er schon zwölfMonate vor der Ernte einen fixen Preis vom Trader bekommen hatte. Jetzt sehen wir aber einen Trend in Nordamerika, dass Bauern plötzlich wieder in eigene Silos investieren. Die verdienen sich jetzt, vor allem nach der jüngsten Trockenzeit, beinahe goldene Nasen. Ich war neulich bei einem Farmer in Iowa und habe ihn gefragt: „Wie viel hast du in deinem Silo?“ Sagt er: „It's more than half full – and believe me: It's gold.“

Die hohen Rohstoffpreise haben also dazu geführt, dass Landwirte wieder Herren ihres eigenen Bodens sind?

Nicht nur das, sondern sie müssen die Aufgabe als Unternehmer wieder mehr wahrnehmen. Es ist schon lange nicht mehr korrekt, dass der Bauer Knecht seines Landes ist. Die Landwirtschaft, in der sich der Bauer als professioneller Unternehmer versteht, ist damit ein richtiger Industriezweig geworden. Das ist für uns als Hersteller von professionellem Equipment sehr interessant.

Haben Sie Schwierigkeiten, in Österreich gute Mitarbeiter zu finden?

Nicht mehr. In der Hochblüte der Automobil-Blase war es problematischer. Da hat jeder Zweite im Großraum Steyr geglaubt, gewisse Auto- oder Lkw-Hersteller sind das Maß aller Dinge. Nach den großen Freisetzungen sieht das anders aus. Wir haben hingegen in der Krisenzeit gerade einmal 30 Leasingkräfte freigesetzt und Kurzarbeit für fünf Monate angemeldet. Nach drei Wochen haben wir die beendet, weil wir wieder Aufträge im Haus hatten. Plötzlich sehen die Leute, dass ein stabiler Arbeitsplatz interessant sein kann. Wir zahlen vielleicht nicht immer das Prämiumgehalt anderer Industrien. Nur haben die große Schwankungsbandbreiten.

Zusammengefasst sind das alles gute Nachrichten. Und Ihr Unternehmen ist in Österreich kein Einzelfall. Wieso ist die Stimmung im Land so schlecht?

Zum einen natürlich, weil es keine klare politische Führung gibt. Wenn Sie sich die politische Landschaft anschauen, ist das ein Zirkus von Clowns. Zwei Schwache gemeinsam ergeben aber keinen Starken. Das muss ich so sagen. Aber das ist halt die österreichische Manier: Kopf runter, irgendwie wird das Gewitter schon abziehen. Wir versuchen als Unternehmen, den jungen Leuten zu zeigen: Es gibt einen Weg. Aber man muss arbeitswillig sein und sich einsetzen. Es gibt in Österreich viele Betriebe, die willig sind, dazu beizutragen, weil man die Qualität und Loyalität der Arbeiter hierzulande schätzt.

Man brauchte also Politiker, die sagen: So, das ist meine Idee von Österreich in zehn Jahren, und jetzt versuche ich, euch davon zu überzeugen?

Und das muss authentisch sein. Bei uns sagt einer etwas und schaut dabei nur, ob er eine möglichst breite Masse anspricht. Aber dieses Durchlavieren geht nicht mehr. Man kann vor der Realität nicht davonlaufen. Schauen Sie: Der Standort St. Valentin war Mitte der 1990er fast tot. Warum konnten wir die Europazentrale dort ansiedeln? Weil dort so viel Leerstand war. Ich musste dort zu Beginn auch Maßnahmen bei der Arbeitszeitflexibilität treffen, für die man mich sicher gehasst hat. Aber darum gibt es den Standort heute – und die Leute sind froh, dass es keine Frage gibt, ob es nächstes Jahr weitergeht.

Zur Person

Andreas Klauser ist Chef des Landmaschinenherstellers Case IH und Steyr, der zum Fiat-Konzern gehört. Seit Kurzem führt er auch Iveco. Damit ist er verantwortlich für mehr als 40.000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von rund 24 Milliarden Euro. [Archiv]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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