Wie man selbst die Mandatare bestimmt

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Neue Modelle würden mehr Möglichkeiten eröffnen. Etwa mit einem echten Vorzugsstimmensystem, bei dem nur die Mandatare in den Nationalrat einziehen, die die meisten Vorzugsstimmen bei einer Partei erhalten.

Wien. Nach dem Verhältnis ihrer Stimmen sind Gesinnungsgemeinschaften im Parlament vertreten. Dadurch, so die ursprüngliche Idee, soll der Nationalrat ein Abbild der Gesellschaft darstellen. Doch Kritiker des geltenden Verhältniswahlrechts betonen, wie sehr die Parteien diesen Grundgedanken adabsurdum führen. Statt der besten Köpfe der Gesellschaft finden sich nur zu oft Parteisoldaten in der Volksvertretung. Will sich ein Politiker ein Mandat sichern, muss er sich nämlich primär nicht mit den Bürgern gut stellen, sondern mit den Parteichefs auf Bundes- und (oft noch wichtiger) Länderebene.

Abhilfe könnte hier ein neues Wahlrecht schaffen, in dem der Bürger mehr Auswahl bei den Mandataren erhält. Etwa mit einem echten Vorzugsstimmensystem, bei dem nur die Mandatare in den Nationalrat einziehen, die die meisten Vorzugsstimmen bei einer Partei erhalten. Momentan ist eine Vielzahl an Vorzugsstimmen nötig, um als Wähler die von der Partei fixierte Liste umwerfen zu können.

Oder man führt gleich ein Mehrheitswahlrecht ein. Etwa ein System, bei dem jeder Wahlbezirk nur einen direkt gewählten Abgeordneten entsendet. Dies würde dem nostalgischen Gedanken nachempfunden sein, nach dem sich die lokalen Bürger unter der großen Dorfeiche treffen und den Klügsten von ihnen erwählen, der für sie ins Parlament entsendet wird. Auch bei Mehrheitswahlrechten gibt es verschiedenste Modelle, u.a. das britische. Gewählt wird hier der Kandidat, der im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhält. Man kann also z.B. auch mit bloß 20 Prozent der Stimmen gewählt werden, wenn alle anderen Kandidaten weniger bekommen.

Stichwahl im Wahlkreis

Will man das verhindern, bieten sich Stichwahlen unter den beiden besten Kandidaten des ersten Wahlgangs an. Stichwahlen im Wahlkreis kennt das französische System. Der Vorteil: Wer auf diese Weise zum Mandatar gekürt wird, wird von einer Mehrheit gutgeheißen. In Österreich kommt ein ähnliches Prozedere (diesfalls aber bundesweit) bei der Kür des Bundespräsidenten zur Anwendung.

Kleine Parteien würden es schwer haben, beim Mehrheitswahlrecht Mandate zu erreichen. Das kann man abfedern, indem man Mehrheits- und Verhältniswahlrecht mischt. So könnte man 100 Wahlkreise schaffen, in denen (per Mehrheitswahlrecht) je ein Mandatar gewählt wird. Dazu kämen 83 Mandate, die per Verhältniswahlrecht vergeben werden. Ein derartiges Modell hat der Grazer Jurist Klaus Poier entworfen, der aber auch noch andere Lösungsmodelle ins Treffen führt. Etwa, dass man der bundesweit stimmenstärksten Partei automatisch 92 Mandate gibt, wodurch sie alleine regieren kann. Die übrigen 91 Mandate würde man nach Verhältniswahlrecht aufteilen („minderheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht“).

Ein ganz anderes Problem ist die Briefwahl. Sie führt zu Kritik, weil hier niemand überprüfen kann, ob geheim votiert wurde. Eine Alternative sind Vorwahltage. Einen solchen gab es z.B. bei der Grazer Gemeinderatswahl. Wer morgen, Sonntag, nicht wählen kann, konnte schon am 16.November persönlich seine Stimme in die Wahlurne legen: ein Vorbild für Wahlen auf Bundesebene.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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