Das Schmieden einer Goldmedaille

Olympische Sommerspiele 2012
Olympische Sommerspiele 2012 c GEPA pictures GEPA pictures Wolfgang Grebien
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Österreichs Flop bei den Sommerspielen in London hat auch etwas Gutes gehabt. Man spricht wieder miteinander, dabei wurden neue Förderprojekte auf die Beine gestellt.

Wien. Die olympischen Sommerspiele 2012 in London hatten gerade einmal wettkampfmäßig begonnen, da machte Österreichs Sportminister gleich einmal mit einer großen Schelte auf sich aufmerksam. Norbert Darabos ging überraschend früh in die Offensive. Helm auf und Augen zu, das spielte er in diesem Fall nicht. Er hatte vermutlich eine Vorahnung, dass Österreichs Athleten in London womöglich leer ausgehen könnten, darum riskierte er auch einen Rundumschlag. Darabos erntete dafür Kritik, aber er hat eine breite Diskussion über den heimischen Sport ausgelöst. Das hat aus heutiger Sicht dazu geführt, dass man enger zusammengerückt ist. Die gegenseitigen „Blockierer“ haben an Widerstandskraft verloren.

In Österreich muss über eine dringend notwendige Strukturreform nachgedacht werden. Das neue Bundessportförderungsgesetz befindet sich in Begutachtung, profitieren wird man davon vor 2020 nicht. Daher wurde als Sofortmaßnahme das „Projekt Rio 2016“ aus der Taufe gehoben. Bis zu den nächsten Sommerspielen stehen 20 Millionen Euro, also fünf Millionen pro Jahr, für Individualförderung zur Verfügung. Das Geld stammt aus der „Allgemeinen Sportförderung“; da einige Projekte auslaufen, werden neue Mittel frei.

Sportinfrastruktur im Argen

In der Vergangenheit sind viele österreichische Olympia-Helden nicht wirklich einem System entsprungen. In der Regel waren es Ausreißer, die eigene Wege gesucht haben. Oft haben diese Wege ins Ausland geführt, nach Amerika oder Japan. Manchmal sind Olympiasieger auch nur sehr kleinen Keimzellen entsprungen. Die Konkurrenz, mit der man sich messen wollte, hat es im eigenen Land nicht gegeben. Vielerorts fehlt es an Trainingsmöglichkeiten, weil die Sportinfrastruktur im Argen liegt.

Ein Versäumnis hat sich an das andere gereiht, die letzte große Chance, die vergeben wurde, war die Euro 2008. In Innsbruck stand der Rückbau des Stadions schon fest, da war es nicht einmal noch fertig. In Klagenfurt ist die Arena immer noch ein Kapitel für sich, Salzburg hätte den Ball ruhig auch an Red Bull weiterrollen lassen können. In Wien wurde ein wenig renoviert, die Möglichkeit, einen brauchbaren Sportkomplex aufzuziehen, wurde nie in Betracht gezogen. Jetzt hat man den Scherben auf, weil aus der angeblichen Sportstadt Wien eine Antisportstadt geworden ist – in der sich beispielsweise Leistungsschwimmer brausen können.

Die Stadthalle rostet dahin, die letzte Eishockey-WM ging dort nur in die Geschichte ein, weil das Eis gebrochen ist. Das Hanappi-Stadion wiederum macht Rapid unglücklich; wer keinen Investor findet, der muss eben weiterhin improvisieren.

Viel Lob gebührt zweifelsfrei der Ehrenamtlichkeit; würden die Funktionäre aber endlich – unabhängig von der (sport-)politischen Zugehörigkeit – an einem Strang ziehen, dann würde man sich dem Ziel, eine Goldmedaille zu schmieden, schon bedeutend nähern. Die Geburt des neuen Bundessportförderungsgesetzes war, um es zu verniedlichen, eine schwere Geburt. Mit der Konzentration auf sogenannte Kernsportarten wird man sich in diesen Bereichen der Weltspitze gewiss nähern. Der Haken an der Sache: Alle anderen Sportarten laufen Gefahr, endgültig in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Das „Projekt Rio 2016“, das rund 70 Athletinnen und Athleten umfassen soll, garantiert zwar keinen zweiten Peter Seisenbacher, das Koordinieren von Trainingsabläufen aber wird erleichtert. Mit dem Einführen der Transparentdatenbank (Summe aller Förderungen) wird der Spitzensportler zu einer Art gläserner Mensch, das sollte Ansporn genug sein, um sich mit Spitzenleistungen zu revanchieren.

Dass der österreichische Sport ausschließlich von Sportlern bzw. ehemaligen Sportlern geführt werden soll, ist natürlich eine völlig überzogene Forderung. Die Einführung einer Athletenkommission im Österreichischen Olympischen Comité ist als Fortschritt zu bezeichnen. Damit ist ein Sitz im ÖOC-Vorstand verbunden, den Vorstand macht der Judoka Ludwig Paischer. Die Idee der Athletenvertretung wurde übrigens im Dezember 2009 von Ex-Olympia-Größen wie Peter Seisenbacher, Michael Hadschieff und Emese Hunyady geboren. „Wir haben eine Initialzündung gegeben. Es ist zwar nicht ganz das, was wir uns gewünscht hätten, aber ein Fortschritt.“

Geredet und diskutiert wird auch viel über die tägliche Turnstunde, zu deren Umsetzung gibt es verschiedene Standpunkte. Aber der österreichische Sport hat den Wink mit dem Olympia-Zaunpfahl offenbar verstanden. Immerhin wird wieder miteinander gesprochen – und nicht nur gestritten.

Auf einen Blick

Reformen im Sport: Das Olympia-Desaster bei den Sommerspielen 2012 in London hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Nun liegt nach langen Streitereien endlich ein Entwurf eines Bundessportförderungsgesetzes zur allgemeinen Begutachtung vor und wurde als Sofortmaßnahme das Projekt „Rio 2016“ (Individualförderung, Elite- und Hoffnungskader) aus der Taufe gehoben. Der Vorsitzende der ÖOC-Athletenkommission ist damit auch im Vorstand vertreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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