Nie wieder Endlosverfahren

Claudia Bandion-Ortner
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Meinl, Grasser und Co. warten seit Jahren auf Entscheidungen der Justiz. Doch Wirtschaftsstrafverfahren könnten deutlich schneller laufen.

Wien. April 2011, ÖVP-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner setzt einen bemerkenswerten Schritt: Sie weist die Wiener Oberstaatsanwaltschaft an, ihr „bis Sommer“ zu berichten, ob das Buwog-Strafverfahren gegen Karl-Heinz Grasser eingestellt oder ob dem Ex-Finanzminister eine Anklageschrift zugestellt werden solle. Von dem angeforderten Bericht will man im Ressort aber bald nichts mehr hören – als nämlich Bandion-Ortner durch Beatrix Karl (VP) ersetzt wird. Und man hört auch jetzt, eineinhalb Jahre, später noch nichts.

Muss Grasser nun vor den Richter, weil er Untreue (Höchststrafe: zehn Jahre Haft) zum Nachteil der Republik sowie das Delikt „Geschenkannahme“ begangen haben soll, oder nicht? Das Ermittlungsverfahren geht ins vierte Jahr.

Man möge ihm endlich reinen Wein einschenken – verlangt etwa auch der Bankier Julius Meinl. Dessen Untreueverfahren um den Rückkauf von Meinl-European-Land-Zertifikaten läuft gar schon fünf Jahre. Ausgang: ebenfalls völlig offen. Der Vorstand der Meinl Bank, Peter Weinzierl, spricht von einem „Schandfleck für die Justiz“.

Fazit: Die schiere Länge eines Strafverfahrens ist ein Problem – groß genug, um das Vertrauen in eine funktionierende Justiz zu erschüttern. Dieses Problem ließe sich aber weitgehend lösen.

1 Verstärkter Einsatz von externen Experten, die den Staatsanwaltschaften permanent zuarbeiten

Die österreichischen Anklagebehörden äußern selbst immer wieder den Wunsch nach behördeninterner Zusammenarbeit mit eigens abgestellten Spezialisten. Mit diesen könnten sie im Teamwork an hochkomplexe Fälle von Wirtschaftskriminalität herangehen. Aber nur die Staatsanwaltschaft Klagenfurt (seit der Hypo-Affäre) und die Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien verfügen über solche Fachleute, zum Beispiel aus den Bereichen Bank-, Rechnungswesen, Buchhaltung, Betriebsprüfung. Der große Vorteil von Experten, die den Staatsanwälten (diese leiten das Verfahren) zur Hand gehen: Man kommt hausintern und damit auf relativ kurzem Weg zu einer Entscheidung (Anklage oder Einstellung). Und: Das Einholen von – vielfach zeitaufwendigen und kostentreibenden – Gutachten kann vermieden werden.

2 Teilweise Verfahrenseinstellungen: Nicht jede Verästelung muss ermittelt und angeklagt werden

Manchmal reicht schon eine Teilanklage aus, um eine Bestrafung zu erwirken. Von der Verfolgung der „Restbestände“ kann die Staatsanwaltschaft absehen, wenn dies auf die zu erwartende Strafe keinen großen Einfluss hat.

3 Personelle Aufstockung im Bereich der Anklagebehörde, der Polizei, aber auch des Hilfspersonals

Die Forderung nach mehr Planstellen kommt nicht von ungefähr. Weil tatsächlich Leute fehlen, können nicht überall, wo es notwendig wäre, Staatsanwälteteams gebildet werden. Für ein solches Vorgehen plädiert etwa der Anwalt von Karl-Heinz Grasser, Manfred Ainedter. Würde auch das Kanzleipersonal aufgestockt, hätte man mehr Hilfskräfte, die Ordnung in die oft zehntausende Seiten starken und meist stetig wachsenden Gerichtsakten bringen könnten.

Auch die Polizei bräuchte – wie sich beispielsweise bei der Aufarbeitung der verschachtelten Telekom-Causa zeigt – mehr qualifiziertes Personal. Das Totschlagargument, wonach dies alles nicht finanzierbar sei, lässt Staatsanwälte-Präsident Gerhard Jarosch nicht gelten: „Wenn man genug Geld hat, um auf Autobahnen sogar zwischen den Fahrtrichtungen Lärmschutzwände aufzustellen, muss auch Geld für die Justiz da sein. Tatsächlich: Am Justizbudget kann die „Zurückhaltung“ nicht liegen, weist doch das Justizministerium selbst auf den hohen Kostendeckungsgrad (zuletzt mehr als 70 Prozent) innerhalb des eigenen „Unternehmens“ hin.

4 Internationale Abkommen verbessern, um Doppelgleisigkeiten beim Rechtsschutz zu vermeiden

Gerade im Grasser-Verfahren blickt Österreich gebannt auf immer neue gerichtliche Entscheidungen in Liechtenstein. Dort wurden bei einem Treuhänder des Ex-Finanzministers Akten beschlagnahmt, auf die Österreich seit vielen Monaten wartet. Würde die internationale Kooperation bei Kontoöffnungen oder Hausdurchsuchungen verstärkt – derzeit können die Beschuldigten sowohl im Inland als auch im Ausland Rechtsmittel ergreifen –, würde man Zeit sparen. Dass dies klappen kann, zeigt der Europäische Haftbefehl. Er ermöglicht Auslieferungen von Verdächtigen innerhalb von Wochen – nicht Monaten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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