Die Krise der Stahlindustrie führt zu Verwirrung in Paris: Der Industrieminister will ein Stahlwerk verstaatlichen, der Arbeitsminister sagt: „Diese Zeiten sind vorbei.“
Wien/Paris/Ag./Red. Zurück in die Zukunft: Die sozialistische französische Regierung in Paris überlegt offenbar eine Verstaatlichung zweier Hochöfen, die der Stahlriese Arcelor Mittal schließen will. So will Industrieminister Arnaud Montebourg den Verlust von 630 Arbeitsplätzen verhindern.
Dabei geht es um das Stahlwerk in Florange im Nordosten Frankreichs. Die Anlage liegt nahe der Grenze zu Deutschland, rund 90 Kilometer entfernt von Saarbrücken, der Hauptstadt des Saarlandes. ArcelorMittal hat im Oktober angekündigt, die beiden Hochöfen dichtzumachen. Das Unternehmen hat die Schließung dann aber auf Anfang Dezember verschoben, um der Regierung bei der Suche nach einem Käufer mehr Zeit zu geben. Der Verstaatlichungsvorschlag des Industrieministers könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Suche nach einem Käufer bisher ergebnislos abläuft.
ArcelorMittal in der Krise
Die gesamte Branche ächzt unter der Konjunkturflaute und der Schuldenkrise. Erst kürzlich hat der Weltstahlverband seine Wachstumsprognose gesenkt. Der Grund: schwache Nachfrage von Kunden aus der Autoindustrie, der Baubranche oder dem Maschinenbau. Der weltgrößte Stahlkonzern ArcelorMittal schreibt rote Zahlen, Salzgitter senkt seine Prognose und bei ThyssenKrupp sind Stahlkocher in Kurzarbeit. Auch die Aussichten für 2013 sind nicht glänzend.
Weltmarktführer ArcelorMittal hat die Anleger Anfang November mit einem Quartalsverlust von rund 700 Mio. Dollar (etwa 550 Millionen Euro) vergrault. Der Konzern, der auch Werke in Duisburg, Bremen, Hamburg und Eisenhüttenstadt hat, zahlt auch die Zeche für seinen Expansionskurs der vergangenen Jahre.
Die Stahlindustrie leidet seit Längerem unter Überkapazitäten. Vorstandschef Lakshmi Mittal will neben den Hochöfen in Frankreich auch einen Standort in Belgien schließen. Darauf sind hohe Abschreibungen fällig. Mittal hat zudem auf das konjunkturanfällige Massengeschäft gesetzt. Wichtige Kunden sitzen in Südeuropa – sie halten sich mit Bestellungen zurück. Dass Frankreich eine Verstaatlichung als Lösung sieht, dementierte Arbeitsminister Michel Sapin am Freitag allerdings umgehend. Diese Zeiten seien vorbei, sagte Sapin.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)