Negerbrot, Zigeunerschnitzel – und der Klassiker: Mohr im Hemd. Gerichte mit negativ besetzten Namen verschwinden zunehmend aus den Speisekarten.
Wien. Ob ein Schokohupf mit Schlag Schokohupf mit Schlag heißt oder Mohr im Hemd, spielt für den Geschmack der Süßspeise keine Rolle. Einen fahlen Beigeschmack hat der alte Begriff „Mohr“ dennoch – erinnert er doch an Rassismus und Sklaverei.
„Sprache schafft Bewusstsein“, sagt Gilda Horvath, Roma-Redakteurin im ORF. Deshalb hält sie nicht viel von Speisebezeichnungen wie „Zigeunerschnitzel“. Dieses Wort sei „ein Beispiel dafür, wie die NS-Propaganda eine bestimmte Volksgruppe nannte. Ich verstehe nicht, warum man dieses Gericht nicht einfach Schnitzel nach ungarischer Art oder Paprikaschnitzel nennen kann.“
Es sei zwar ein großes Anliegen der Roma- und Sinti-Gemeinde, das Wort Zigeuner aus dem Sprachgebrauch zu verbannen, die meisten würden sich aber nicht trauen, initiativ zu werden. „Eine kleine Gruppe setzt sich sehr wohl aktiv dagegen ein. Aber es gibt auch Leute, die Angst haben und unangenehme Situationen vermeiden wollen“, so Horvath. Außerdem wüssten viele Roma gar nicht um den negativen Ursprung des Wortes.
Aufklärungskampagne von SOS Mitmensch
Neuen Auftrieb bekam die schon seit Jahren schwelende Diskussion um diskriminierende Speisenamen im vergangenen Frühling, als die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch am Beispiel des Gerichts Mohr im Hemd eine Aufklärungskampagne startete und unterschiedliche Wirtshäuser in ganz Wien anschrieb.
Das Ergebnis: „Wir haben zwar viel Kritik einstecken müssen, aber es gab auch eine Reihe von Umbenennungen“, sagt Sprecher Alexander Pollak. Große Handelsketten wie beispielsweise Merkur ersetzten die umstrittene Bezeichnung Mohr im Hemd durch Schokohupf im Hemd.
Die negative Konnotation sei den meisten Wirten bekannt, Änderungen wollten sie aber erst bei einer Neuerstellung der Speisekarte durchführen. Pollak: „Immerhin haben viele eingesehen, dass diese Bezeichnungen nicht zeitgemäß und untragbar sind.“ Allerdings sei noch viel Bewusstseinsarbeit zu leisten, um nachhaltig eine Verbesserung der Situation herbeizuführen.
Auch der Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (Zara) engagiert sich gegen Rassismus in der Gastronomie. Vereinsmitglieder treten immer wieder mit Inhabern von Gaststätten in Kontakt, die Waren wie „Negerbrote“ oder „Negerküsse“ in die Auslage stellen, und erklären ihnen, warum solche Bezeichnungen aus politischen und historischen Gründen nicht in Ordnung sind und Menschen verletzen können.
Alternative Lösungsvorschläge
Die Wirte werden gebeten, alternative Begriffe zu verwenden. Solche, die keine Stereotype verfestigen und nicht ganze Volksgruppen abwerten. „Manche folgen unseren Ratschlägen, manche nicht, je nach individueller Gesinnung“, sagt Claudia Schäfer von Zara. „Dass aufgrund einer Namensänderung das Produkt nicht mehr gekauft wird, ist jedenfalls eine Ausrede.“
Es sei halt viel bequemer, den Namen beizubehalten. Die Sensibilität in der Gesellschaft sei aber sicher gestiegen. „Zara bekommt immer mehr Meldungen über rassistische Speisebezeichnungen. Aber leider kam es bis heute kein einziges Mal vor, dass ein Unternehmer bei uns anrief und um Lösungsvorschläge bat.“
Das bedeutet aber nicht, dass es nicht auch positive Beispiele und Vorreiter in dieser Debatte gibt. Einige Wirte nannten schon vor der SOS-Mitmensch-Kampagne Speisen um. Wie beispielsweise Adalbert Windisch vom Restaurant „Hawidere“ im 15. Bezirk. Er kam in Gesprächen mit seinem Personal und seinen Gästen auf die Idee, den Mohr im Hemd in „heißer Schokonuss-Gugelhupf“ umzubenennen. Die Resonanz war „sehr positiv“.
Windisch hält im Übrigen die gesamte Diskussion für überflüssig, denn es müsse doch klar sein, diskriminierende Wörter nicht zu verwenden: „Da läuft doch was in die falsche Richtung.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)