Abschiedsveranstaltung für den globalen Klimaschutz

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Bis 2050 wird sich die Erde um vier Grad erwärmen, die Folgen werden dramatisch sein. Bei der Konferenz in Doha ist dennoch keine Einigung in Sicht. Positionen der Staaten sind seit Jahren unverändert weit auseinander.


Doha/Wien. Für so manchen Umweltschützer ist es ein Treppenwitz der Geschichte: Ausgerechnet in Doha, der Hauptstadt des Wüstenemirats Katar, will die weltweite Staatengemeinschaft einen Fortschritt im globalen Klimaschutz erreichen: Das Emirat hat die weltweit höchsten Pro-Kopf-Emissionen von Treibhausgasen – nämlich 38 Tonnen CO2-Äquivalente.

Zum Vergleich: In Österreich sind es 7,6 Tonnen, in Indien 1,6, in den USA 17,4. Katar floriert dank seiner Erdgasindustrie, das Land ist der weltgrößte Produzent von verflüssigtem Erdgas. Umweltbewusstsein war bisher ein Fremdwort. Allerdings hat der Emir dem Land einen Ökokurs verpasst, 2008 ein Umweltministerium gegründet, 2022 soll eine „CO2-neutrale“ Fußballweltmeisterschaft veranstaltet werden.

All diese Ambitionen werden aber wohl nichts helfen: Die 193 Staaten, die bei der UN-Klimakonferenz von heute bis 7. Dezember in Doha zusammentreffen, werden erneut keine Einigkeit hinsichtlich eines weltweiten Klimaschutzabkommens erzielen. Die Positionen der Staaten sind seit Jahren unverändert weit auseinander, die Gräben zwischen den Blöcken unverändert tief. Die Entwicklungsländer, der BASIC-Block (Brasilien, China, Indien, Südafrika) sowie die USA lehnen bindende Klimaschutzziele ab – aus Angst, die wirtschaftliche Entwicklung  zu gefährden. Die EU geriert sich einmal mehr als Vorreiter und hat bereits längst eine 20-prozentige Reduktion des Treibhausgasausstoßes beschlossen – ein Wert, der auf 30 Prozent erhöht werden könnte, falls andere Staaten mitziehen.
Die alarmierenden Berichte, die vergangene Woche im Vorfeld der Konferenz veröffentlicht wurden, verhallen in der Weltpolitik ziemlich ungehört. Die Weltbank, die UN-Umweltorganisation, die Internationale Energieagentur, die Europäische Umweltagentur oder das Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoppers führen übereinstimmend aus, dass ohne zusätzliche Maßnahmen das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichbar ist – sondern dass sich die Welt bis 2050 eher um vier Grad erwärmen wird. Mit dramatischen Folgen wie einem Anstieg des Meeresspiegels, verheerenden Hurrikans, häufigeren und schlimmeren Dürren, anderswo hingegen stärkeren Überschwemmungen.

Europa bleibt mit Verpflichtungen allein

Die Verhandlungen folgen einem im Vorjahr in Durban vereinbarten Kurs: Bis 2015 soll ein umfassendes globales Abkommen ausgehandelt werden, das 2020 in Kraft treten soll. Aus EU-Sicht dringlich ist eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls, das per Jahresende ausläuft. Ohne eine Verlängerung hängt das europäische Emissionshandelssystem und der Handel mit Emissionsrechten aus Entwicklungsländern (CDM) rechtlich in der Luft. Viele Staaten unterstützen „Kyoto II“. Und zwar zu den bisherigen Bedingungen: Die Industrieländer kommen dabei ihrer historischen Verantwortung nach und reduzieren ihren CO2-Ausstoß, der Rest der Welt darf das Wachstum nachholen.

Außer der EU sind aber nur mehr Norwegen, die Schweiz und vielleicht Australien zu Verpflichtungen nach dem Kyoto-Mechanismus bereit – diese Staaten stehen gerade einmal für 14 Prozent der weltweiten Emissionen. Strittig bei der Verlängerung von Kyoto ist, ob diese für fünf oder für acht Jahre erfolgen soll. Unklar ist zudem, ob überschüssige Zertifikate in die nächste Kyoto-Periode mitgenommen werden dürfen.

Auch Uneinigkeit in der EU

Die Entwicklungsländer fordern vehement, dass die Industriestaaten ihre Finanzzusagen für einen Fonds zur Anpassung und zur Abfederung von Schäden durch die Erwärmung einhalten. Avisiert wurde bei den letzten Klimakonferenzen ein Topf mit 100 Mrd. Dollar ab 2020. Einzig Europa hat bisher Milliardenbeträge lockergemacht. Die EU ist allerdings stärker gespalten als in den Vorjahren: So stemmt sich Polen (wegen eigener Kohlekraftwerke) vehement gegen alle Pläne zur Verschärfung der CO2-Ziele. Selbst Deutschland ist intern uneins: Kürzlich stritten das Wirtschafts- und das Umweltministerium über die Mengen an Zertifikaten, die von der EU ausgegeben werden. Wegen des Preisverfalls (als Folge der Wirtschaftskrise) will Brüssel ja die Emissionszertifikate verknappen.

Österreich wird bei der UN-Klimakonferenz durch Umweltminister Niki Berlakovich (VP) vertreten, er reist am 4. Dezember zum Ministertreffen nach Doha – nachdem in der ersten Konferenzwoche auf Beamten- und Expertenebene beratschlagt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2012)

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