Die KPÖ wird in Graz Zweite, ÖVP und SPÖ verlieren. Ein Warnschuss für die Bundesparteien vor dem Superwahljahr.
Wien. Obwohl Stimmenstärkster, war ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl doch der große Verlierer der Grazer Gemeinderatswahl: minus 4,63 Prozentpunkte laut Endergebnis vom Montagabend. Aus dem Vierkampf um Platz zwei ging hingegen die KPÖ in eindrucksvoller Weise hervor. Für die SPÖ gab es wieder Verluste und Rang drei. Zulegen konnte die FPÖ, sie liegt vor den Grünen auf Rang vier. Überraschen konnten auch die Piraten, sie schafften im Gegensatz zum BZÖ den Einzug in den Gemeinderat. Die Wahlbeteiligung sank weiter auf 55,5 Prozent.
Nagl, seit zehn Jahren Bürgermeister der steirischen Landeshauptstadt, war vom Ergebnis sichtlich geschockt. Er schickte zunächst mit Landeshauptmannstellvertreter Hermann Schützenhöfer und Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder Vertreter der Landes-ÖVP vor. Auch Justizministerin Beatrix Karl war zur Stelle. Es gehe nicht um Schuld, so Schützenhöfer. Nagl sei die klare Nummer eins in Graz. Er werde Bürgermeister bleiben, stellte Nagl selbst erst eineinhalb Stunden nach der ersten Hochrechnung klar. Dass er die Koalition mit den Grünen im Frühjahr überraschend beendet und auch den Wahltermin vorgezogen hatte, wollte er nicht als Fehler sehen.
Die einzig mögliche Zweierkoalition
Im Hinblick auf die Regierungsbildung meinte er: „Die Wähler haben uns eine Landschaft hinterlassen, in der es nicht leicht sein wird, Mehrheiten zu finden."
Eine Landschaft, in der ÖVP und SPÖ keine Mehrheit mehr haben. Die einzig mögliche Zweierkoalition ist jene aus ÖVP und KPÖ. Denn rechnerisch auch nicht möglich ist eine Dreier-Koalition aus KPÖ, SPÖ und den Grünen.
Nagls Ex-Juniorpartnerin Lisa Rücker sagt zum Grün- Verlust: „Ich kann mit dem Ergebnis leben, glücklich bin ich nicht." Landeshauptmann Franz Voves meinte, die SPÖ habe den Kontakt zu den Menschen verloren. Er sehe aber keinen Sinn darin, SP-Chefin Martina Schröck auszutauschen.
Die Graz-Wahl ist von bundesweitem Interesse, weil sie den Auftakt zu einem wahren Reigen an Urnengängen bildet. Am 20. Jänner steht die Volksbefragung zur Wehrpflicht an. Im Frühjahr wird in Niederösterreich, Kärnten und Tirol gewählt. Der große Showdown steigt freilich im Herbst, wenn der Nationalrat neu gewählt wird.
Auch wenn man beim Umlegen von Ergebnissen einer Gemeinderatswahl auf den Bund vorsichtig sein muss, ist der Grazer Urnengang ein Warnschuss für ÖVP und SPÖ: Die Zahl der Unzufriedenen scheint ein Jahr vor der Nationalratswahl hoch zu sein. Und diese Unzufriedenen sind (zumindest in Graz) gewillt, ihre Stimme nicht nur wie gewohnt rechtspopulistischen Parteien zu geben, sondern auch linksextremen wie den Kommunisten. Oder aber den Piraten, Hauptsache Protest.
Sanfterer FPÖ-Wahlkampf
Die FPÖ fährt sichtlich am erfolgreichsten, wenn sie wie in Graz zwar ihren typischen Wahlkampf mit simplen Parolen gegen Migration und die „da oben" bestreitet - gleichzeitig aber auf Marokkaner-Plakate (wie zuletzt in Innsbruck) oder auf offen islamfeindliche Äußerungen, wie sie die einstige FPÖ-Kandidatin Susanne Winter vor der Graz-Wahl 2008 getätigt hat, verzichtet. Die Grünen dürfen sich den Kopf darüber zerbrechen, warum sie sowohl als Oppositionspartei (im Bund) als auch als Regierungspartei (wie in Graz) nicht von der Schwäche der Großparteien profitieren können. Und das BZÖ hat sowieso ein echtes Problem: 2013 geht es ums Überleben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2012)