Folter soll zu einem eigenen Delikt im Strafgesetzbuch werden. Doch der Entwurf überrascht negativ, denn der Tatbestand ist zu unbestimmt. Und als mögliche Täter kämen auch Journalisten oder Studentenvertreter infrage.
Wien. In der Regierungsvorlage zur Dienstrechtsnovelle 2012 findet sich neben typisch dienstrechtlichen Materien ein neuer, mit „Folter“ betitelter Straftatbestand als § 312a des Strafgesetzbuchs (StGB). Das überrascht: Zunächst würde man in einer Dienstrechtsnovelle keinen neuen Tatbestand des Kernstrafrechts erwarten. Zum anderen wurde die Strafbestimmung in die Regierungsvorlage ohne Begutachtungsverfahren. aufgenommen. Einer inhaltlichen Diskussion durch die Strafrechtspraxis und die Strafrechtswissenschaft wurde die Bestimmung damit entzogen.
Der Einführung eines eigenen Foltertatbestandes im Strafgesetzbuch sind im Grundsatz durchaus positive Aspekte abzugewinnen: Neben der begrüßenswerten Symbolik, die zum Ausdruck bringt, dass der Staat solche Verhaltensweisen durch seine Bediensteten unter keinen Umständen toleriert, sind die damit verbundenen klaren dienstrechtlichen Konsequenzen hervorzuheben. Doch gegen den konkreten Gesetzestext ergeben sich erhebliche Bedenken.
Nach dem vorgeschlagenen §312a StGB machen sich bestimmte Amtsträger oder Nichtamtsträger, die auf Veranlassung oder mit Einverständnis eines solchen Amtsträgers handeln, wegen Folter strafbar, wenn sie einer anderen Person, „insbesondere um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem auf Diskriminierung beruhenden Grund große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden“ zufügen. Die Tat ist mit Freiheitstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht.
Die Krux liegt im Wort „insbesondere“. Eine damit gekennzeichnete demonstrative, also nicht abschließende Aufzählung kann sinnvoll sein, wenn der Gesetzgeber zunächst eine allgemeine Aussage trifft oder eine allgemeine Regel aufstellt und daran anschließend besonders wichtige Fallgruppen zur Veranschaulichung herausstreichen will, ohne jedoch andere auszunehmen. An einer solchen allgemeinen Regel fehlt es hier jedoch, weshalb auch jede andere Motivation zur Zufügung von Leid oder auch das Quälen ohne jegliche Motivation den Tatbestand erfüllen kann. Man hätte daher die Aufzählung getrost weglassen können. Worin liegt dann aber das spezifische Unrecht eines eigenen Foltertatbestands? Bereits jetzt ist das Quälen eines Gefangenen strafbar (§ 312 StGB), ebenso ist an Körperverletzungen unter Ausnützung der Amtsstellung zu denken.
Der vorgeschlagene § 312a StGB pönalisiert das Zufügen von „großen körperlichen oder seelischen Schmerzen“. Nach den Materialien soll darunter dasselbe zu verstehen sein wie das Zufügen von „körperlichen oder seelischen Qualen“ in § 312 StGB. Der Vergleich der Qualifikationen der beiden Tatbestände spricht indes eindeutig gegen eine idente Auslegung. Selbst wenn man dieser systematischen Auslegung nicht folgt und von einem identen Bedeutungsgehalt ausgeht, fragt sich, warum dann nicht derselbe Wortlaut verwendet wird. Die Verwendung unterschiedlicher Begriffe, die dasselbe aussagen, ist auch dann nicht zu begrüßen, wenn damit der Wortlaut einer internationalen Vorgabe wörtlich wiedergegeben wird. Die in den Materialien angeführte „möglichste terminologische Übereinstimmung“ sollte besser mit der „Nachbarbestimmung“ im StGB angestrebt werden.
Unklarheit beim Amtsträgerbegriff
Die dritte Schwachstelle des geplanten § 312a StGB ist der vom Wortlaut nicht unbedingt geforderte dienstliche Bezug der Zufügung von Schmerzen. Zwar ließe sich – wenn auch nicht zwingend – aus der Formulierung „Wer als Amtsträger...“ herauslesen, dass sich der Amtsträger nur dann nach § 312a StGB strafbar macht, wenn er gerade als solcher tätig wird. Für die zweite Personengruppe hingegen, nämlich die sonstigen Personen, die auf Veranlassung oder mit Einverständnis eines Amtsträgers handeln, ist ein solcher Bezug zu einem dienstlichen Vorgang, etwa einer Zeugenbefragung oder Anhaltung, nach dem Wortlaut nicht mehr herstellbar.
Zudem stellt § 312a StGB auf den zuletzt erweiterten Amtsträgerbegriff des StGB ab und geht damit über das UN-Folterübereinkommen hinaus. Insbesondere die Anwendung des § 312a auf alle Dienstnehmer von juristischen Personen öffentlichen Rechts (so etwa alle Bediensteten der Universitäten, der österreichischen Hochschülerschaft, der Kammern, der Sozialversicherungsträger, der Nationalbank, des ORF etc.) erscheint überzogen.
Parlament muss handeln
Auch wenn der Vorschlag zu §312a StGB weitgehend an den Wortlaut der UN-Folterkonvention angepasst ist: Die Rolle einer Definition in einem internationalen Rechtsakt ist eine andere als jene von nationalen Gerichten konkret anzuwendenden Straftatbestände. Ein gerichtlicher Straftatbestand muss ausreichend bestimmt sein. Der derzeit vorgeschlagene Wortlaut lässt jede Kontur vermissen, wirft erhebliche Abgrenzungsfragen zu bestehenden Strafbestimmungen mit wesentlich geringeren Strafdrohungen auf und scheint daher wenig geglückt. Es bleibt zu hoffen, dass die derzeit dem parlamentarischen Verfassungsausschuss zugewiesene Regierungsvorlage noch eine Überarbeitung erfährt.
Mag. Dr. Salimi ist Universitätsassistent am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wien.
Auf einen Blick
Die Koalition will einen eigenen Tatbestand für Folter in das Strafgesetzbuch aufnehmen. Die Initiative folgt internationalen Vorgaben. Kritikwürdig ist aber, dass die Textierung des Delikts sich zu sehr an der UN-Folterkonvention orientiert und zu wenig an anderen Delikten des StGB: Das bringt Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich. Zudem wird beim Täter auf den Amtsträgerbegriff abgestellt, der aber sehr weit reicht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2012)