Graz hat gewählt. Welche Schlüsse lassen sich daraus für das kommende Superwahljahr ziehen? Seriös betrachtet: keine. Einen Versuch ist es dennoch wert.
Tipp aus der Trendgemeinde: Es wird das Jahr der ÖVP
Graz hat gewählt. Welche Schlüsse lassen sich daraus für das kommende Superwahljahr ziehen? Seriös betrachtet: keine. Einen Versuch ist es dennoch wert.
Siegfried Nagl, ein biederer Konservativer, der sich als smarter Liberaler inszeniert, hat sein Wahlziel, die absolute Mehrheit, deutlich verfehlt. Und damit auch seinen Ruf als schwarze Zukunftshoffnung für Land und Bund eingebüßt. Seine Partei bleibt aber immerhin stärkste Kraft. Die Kommunisten, die Piraten für Ernsthafte, setzen als Serviceorganisation mit menschlichem Antlitz ihren einzigartigen Erfolgslauf fort. Die FPÖ legt zu wie gewohnt. Sinn und Zweck des BZÖ erschließen sich den Wählern auch in Graz nicht. Die Grünen können ihre Regierungsbeteiligung nicht verwerten. Und der SPÖ nützt anscheinend auch eine junge attraktive Spitzenkandidatin nichts mehr.
Wie in solchen Fällen üblich, werden dann auch gern Schlussfolgerungen für die Bundespolitik gezogen, noch dazu, wenn ein Superwahljahr mit einer Volksbefragung, drei Landtagswahlen und einer Nationalratswahl ansteht. Doch lassen sich aus einem kommunalen Ereignis in einer eigenwilligen 270.000-Einwohner-Stadt wirklich weiterführende Erkenntnisse gewinnen? Seriös betrachtet: eher nicht.
Allerdings hat sich Graz schon in der Vergangenheit des Öfteren als eine Art Trendgemeinde erwiesen. Die Nazis waren hier schon vor ihrer tatsächlichen Machtergreifung eine Macht, was Graz den Beinamen „Stadt der Volkserhebung“ einbrachte. 1982 wurden in Graz die Grünen gegründet, damals noch als Alternative Liste Österreichs. Und auch ein erster Probelauf für Schwarz-Blau ging in den 1970ern von Graz aus. Mit den Stimmen der ÖVP wurde Alexander Götz (FPÖ) in Graz zum Bürgermeister gewählt, im Gegenzug wählten die Freiheitlichen in Klagenfurt den ÖVP-Mann Leopold Guggenberger. Nur der Siegeszug der Kommunisten fand keine überregionale Fortsetzung – also keine über die Steiermark hinaus. Denn auch im dortigen Landtag sitzen Kommunisten. Auch das ist einzigartig in Österreich.
Wenn sich aus dem Grazer Wahlergebnis etwas herauslesen lässt – abgesehen davon, dass man die Piraten-Partei doch noch nicht abschreiben sollte –, dann das: Die Großparteien verlieren weiter an integrativer Kraft. An deren Rändern, links wie rechts, wird der Platz größer. Der dann auch von Vertretern einer aus der Zeit gefallenen Ideologie genützt werden kann, wenn sie den Pfad der Weltrevolution verlassen und sich seriöser Sacharbeit widmen.
Wobei der Grazer Wahlabend für die ÖVP trotz Verlusten noch eher verkraftbar ist. Zumal man sich mit Umfragen, die von einer Mehrheit der Wehrpflicht-Befürworter bei der Heeres-Volksbefragung ausgehen, trösten kann. Und die Aussicht besteht, bei zwei von drei Landtagswahlen, jenen in Niederösterreich und Tirol, den ersten Platz zu behaupten. Zudem gilt nach wie vor: Verfügt die ÖVP über einen einigermaßen attraktiven Spitzenkandidaten, dann kann sie, bei entsprechender Schwäche der Konkurrenz – oder im konkreten Grazer Fall: bei einer Aufsplitterung des linken Lagers – auch in Städten den ersten Platz erobern (und mit Schrammen halten). Auf Wien ist das aber nur bedingt umlegbar: Da ist die Konkurrenz zu stark.
Für die SPÖ sieht es hingegen deutlich schlechter aus. Geschwächt vom miserablen Parteitagsergebnis ihres Vorsitzenden, setzt sich der Negativtrend nun in Graz fort. In Kärnten wird man möglicherweise die Chance auf Platz eins wieder verspielen – denn die FPK dürfte sich von den Skandalen erholt haben, da sind die Kärntner anscheinend nicht so nachtragend. In Niederösterreich und Tirol ist nicht viel zu holen. Im besten Fall ein paar Prozentpunkte Dazugewinn.
Und an einen Sieg der SPÖ bei der Heeres-Volksbefragung glauben mittlerweile nicht einmal mehr die eigenen Funktionäre. Was durchaus zu bedauern ist. Denn ein Nein zu einem Berufsheer im Jänner würde die allgemeine Wehrpflicht, die in den meisten Ländern Europas längst als überholt gilt, für viele Jahre einzementieren. Aber da ist auch die SPÖ selbst mitschuld, die überhastet und um der „Kronen Zeitung“ zu gefallen, unseriös und unvorbereitet in dieses Abenteuer gegangen ist.
2013 könnte dann also doch eher das Jahr der ÖVP werden. Zumindest bis zur Nationalratswahl.
E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com