Wer wählt in Graz die Kommunisten?

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waehlt Graz Kommunisten c EPA GEORG HOCHMUTH
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Die Protestwähler und ihr soziales Engagement haben der Partei von Elke Kahr den Erfolg beschert. Vor allem die SPÖ und die Grünen verloren zugunsten der Kommunisten.

Graz. Blickt man auf die neue politische Landkarte von Graz, werden Erinnerungen an Asterix und Obelix wach: „Ganz Gallien ist von den Römern besetzt?“ Die steirische Landeshauptstadt hat 17 Bezirke, 16 davon sind schwarz eingefärbt, also in Händen der ÖVP. Nur ein einziger, nämlich Gries, Bezirk Nummer fünf, wird in Zukunft von der KPÖ regiert werden. Erstmals in der Geschichte stellt sie einen Bezirksvorsteher. Zudem sind die Genossen nun in jedem Bezirksrat vertreten.

Es sind Zahlen und Details wie diese, die den in dieser Form doch überraschenden Erfolg der KPÖ bei der Gemeinde- und Bezirksratswahl am Sonntag eindrucksvoll unterstreichen. Gries, am rechten Murufer gelegen, wird gern als Grazer Problembezirk beschrieben. Ein hoher Migrantenanteil ist ebenso Fakt wie ein eher niedriges Einkommensniveau der Bevölkerung. Auf der anderen Seite hat der Bezirk, ebenso wie der im Norden angrenzende Stadtteil Lend, in den letzten Jahren durch Zuzug junger Akademiker und Kreativwirtschafter einen Aufschwung erlebt. Aber auch in traditionell bürgerlichen Bezirken wie Innere Stadt oder Geidorf gewann die KPÖ stark dazu.

Es ist aber nicht nur die Hilfe für in Not geratene Mieter, mit der die KPÖ punkten kann. In Bezirken, wo es soziale Brennpunkte gibt, war die KPÖ ebenso erfolgreich. Dazu gehören Gries und Lend ebenso wie Puntigam oder Jakomini, wo die KPÖ einen zweiten Bezirkssieg nur um 1,5 Prozentpunkte verfehlt hat.

Die Bürger wissen mittlerweile, dass sie mit ihren Problemen, egal, ob es ums Wohnen oder anderes geht, zur KPÖ kommen können – und gräbt so der SPÖ das Wasser ab. Die Türen von Elke Kahrs Büro im Rathaus sind stets offen. Oft ist die Wohnbaustadträtin auch in den Gemeindesiedlungen unterwegs, um sich vor Ort ein Bild von der Situation zu machen. Einen Teil ihres Gehalts spendet sie monatlich.

Kaltenegger legte Grundstein

Den Grundstein für diese Politik hat das KPÖ-Urgestein Ernest Kaltenegger gelegt. Er war von 1998 bis 2005 Wohnbaustadtrat von Graz und damit der Vorgänger Kahrs. Er hat mit seinem Image als „Engel der Armen“ und Ombudsmann der sozial Schwachen eine Nische besetzt, die nicht nur auf Kommunal-, sondern auch auf Landesebene Wahlerfolge brachte. Kahr hat Kalteneggers Politik nach dessen Abgang konsequent fortgeführt.

Dieses Engagement hat die Mitbewerber sukzessive Stimmen gekostet. Auch am Sonntag. Kahr konnte mit 19,9 Prozent fast an das Rekordergebnis Kalteneggers von 20,8 (2003) anschließen. Auch den Kampf um die Vorzugsstimmen hat die 51-Jährige vor Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und Lisa Rücker (Grüne) gewonnen.

In anderen Städten kann oft die FPÖ das Protestwählerpotential abschöpfen. In Graz aber bietet die KPÖ eine berechenbare Alternative. Und so hat sie praktisch jede Partei Stimmen gekostet. Das zeigt die Wählerstromanalyse des Meinungsforschungsinstitutes Sora. Vor allem sind aber Wähler der SPÖ und der Grünen Richtung KPÖ abgewandert. Zwölf Prozent, die 2008 noch SPÖ gewählt hatten, stimmten nun für die KPÖ, bei den Grünen waren es gar 19Prozent.

ÖVP verlor an FPÖ

Die ÖVP verlor hauptsächlich an die FPÖ: 21Prozent der Stimmen, die Mario Eustacchio erhalten hat, gingen 2008 noch an Nagl. Auch die Gruppe der Nichtwähler war ein Verlustgeschäft für den Grazer Bürgermeister: 13Prozent jener Bürger, die für ihn vor fünf Jahren votierten, blieben am Sonntag zu Hause. Hingegen konnte die KPÖ in diesem Bereich mobilisieren: 23Prozent jener Stimmen, welche die Kommunisten am Sonntag erhalten haben, wurden bei der bislang letzten Gemeinderatswahl nicht vergeben. Die KPÖ in Wien S. 9

Auf einen Blick

Stärkste Partei blieb mit 33,7% die ÖVP (17 Gemeinderatssitze). Platz zwei ging mit 19,9% an die KPÖ (zehn Mandate). Die SPÖ fiel mit 15,3% auf den dritten Rang und kommt wie die FPÖ (13,75%) auf sieben Mandate. Die Grünen erreichten 12,1% und sechs Sitze. Die Piraten schafften es mit 2,7% in den Gemeinderat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2012)

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