Am ehesten kommt ein freies Spiel der Kräfte. Die Mehrheitsfindung wird schwierig werden. Der Wahlabend am Sonntag brachte für den seit zehn Jahren regierenden Nagl Verluste.
Graz/Mal. „Wir werden Bürgermeister Siegfried Nagl nicht wählen“, sagte Nicole Kuss, Sprecherin der Grünen Noch-Vizebürgermeisterin Lisa Rücker, am Montag gegenüber der „Presse“. Zu viel Porzellan habe der ÖVP-Bürgermeister mit der Aufkündigung der schwarz-grünen Koalition und der Vorverlegung der Gemeinderatswahlen zerschlagen. „Es liegt in seiner Verantwortung, dass die Stadt jetzt so dasteht und es quasi keine Mehrheiten gibt“, legt Kuss nach.
Der Wahlabend am Sonntag brachte für den seit zehn Jahren regierenden Nagl Verluste, aber mit 33,7 Prozent dennoch den ersten Platz. Rang zwei holte sich mit 19,9 Prozent die KPÖ, die SPÖ verlor weiter und erhielt lediglich 15,3 Prozent der Stimmen. Zugewinne gab es für die FPÖ (13,75 Prozent), Verluste für die Grünen (12,1 Prozent). Das BZÖ flog aus dem Gemeinderat, die Piraten schafften den Sprung hinein.
Die Mehrheitsfindung wird schwierig werden. Die einzig mögliche Zweierkoalition ist jene zwischen ÖVP und KPÖ. Elke Kahr, Spitzenkandidatin der Kommunisten, hat dieser bereits eine Absage erteilt. „Es liegt jetzt in der Verantwortung von ÖVP und KPÖ, etwas zustande zu bringen“, nahm Kuss die beiden stimmenstärksten Parteien in die Pflicht. Die Grünen stehen hingegen auch für eine Dreierkoalition nicht zur Verfügung, sollte Nagl mit an Bord sein.
Die FPÖ unter Mario Eustacchio ist die einzige Partei, die Nagl bei der Bürgermeisterwahl Unterstützung zugesagt hat. Im neuen verkleinerten Gemeinderat (48 Mandate) braucht Nagl mindestens 25 Stimmen. Mit FPÖ-Unterstützung sind es nur 24. Pirat Philip Pacanda muss sich erst mit seinen Mitstreitern beraten, auch KPÖ und SPÖ haben noch keine Entscheidung getroffen, Montagnachmittag tagten die Gremien.
Die wahrscheinlichste Regierungsform ist aus derzeitiger Sicht ein freies Spiel der Kräfte mit themenbezogenen Arbeitsübereinkommen. Für Nagl wäre dies kein Neuland, schon während seiner ersten Amtszeit hat er ohne fixen Koalitionspartner regiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2012)