Strategien gegen den Leidensdruck

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Veränderungswünsche, steigender Druck oder blockierende Verhaltensmuster: Wann eine professionelle Begleitung beim beruflichen Werdegang sinnvoll ist.

Auf 150.000 Personen wird in Österreich die Zahl jener geschätzt, die jährlich die Dienstleistung eines Coaches in Anspruch nehmen. „Coaching zielt auf die Förderung der Selbstreflexion und Wahrnehmung ab, um Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Es findet auf Augenhöhe statt, ohne autoritäre oder hierarchische Positionierung“, erklärt Michael Tomaschek, Obmann des heimischen Coachingdachverbandes ACC. „Der Coach versteht sich dabei als partnerschaftlicher Begleiter.“

Rollenklarheit

Die rund 3000 Professionisten des Verbandes behandeln zunehmend Themen im beruflichen Kontext. „Rollenklarheit und strategische berufliche Ausrichtung auf der persönlichen und Organisationsebene stehen im Vordergrund“, weiß Tomaschek. In den letzten Jahren gehe es vermehrt um Neuorientierung. „Im Fokus steht oftmals die eigene Rolle im betrieblichen Umfeld, insbesondere nach Umstrukturierungen oder Jobveränderungen. Immer deutlicher stellen sich dabei gesundheitliche Fragen in Bezug auf Überlastung und Stress.“ Gesucht werden insbesondere Antworten auf Fragen wie „Wie erhalte ich meine Handlungs- und Leistungsfähigkeit“ oder „Wie gehe ich persönlich mit der wachsenden Komplexität und der Unsicherheit um?“

„Nachdem wir uns immer nur selbstverändern können, istCoaching dann besonders wirksam, wenn es um das Erlernen neuer Fähigkeiten, neuer Einstellungen und um die Annahme neuer Eigenschaften“, meint Wirtschaftscoach Leopold Faltin von meincoach.at, der Coaching primär als Entwicklungsinstrument und weniger als Problemlösetechnik sieht. „Andere Menschen können bestenfallsüber unser eigenes Verhalten verändert werden – und auch das nur, wenn sie bereit dazu sind. Alles andere wäre Manipulation und die ist, wie man inzwischen weiß, nicht einmal unter Brainwashing-Bedingungen nachhaltig wirksam“, so Faltin.Dieses Thema sei im beruflichen Kontext zum Beispiel dann von Bedeutung, wenn eine Führungskraft Mitarbeiter „verändern“ möchte. „Ohne eigene Motivation dieser Personen ist keine nachhaltige Veränderung zu erwarten“, ist Faltin überzeugt. Ob Persönlichkeits- oder Führungskräfteentwicklung, Teamarbeit oder in Spezialbereichen wie Jobwechsel, Stellenbewerbung, Diversitymanagement und interkulturelle Kompetenz – als hilfreiche Voraussetzung für erfolgreiches Coaching dient stets der persönliche Leidensdruck. Coachees (gecoachte Personen) profitieren laut Faltin dann am meisten, wenn sie unter Zeitdruck stehen und glauben, „schon alles versucht“ zu haben. „Gerade die sogenannten hoffnungslosen Situationen oder Fälle können oft besonders rasch und wirkungsvoll bearbeitet werden“, weiß der Senior Coach aus Erfahrung.

Entwicklungsfelder

„Ein Coaching für die berufliche Weiterentwicklung wird meist dann genutzt, wenn man selbst zu keiner Lösung kommt. Üblicherweise herrscht bei den Hilfesuchenden eine Unzufriedenheit über die derzeitige Situation, und eine Veränderung wird herbeigesehnt“, meint Andrea Jindra, systemischer Coach mit Schwerpunkt Karrierecoaching und Geschäftsführerin des Beratungs- und Trainingsinstitutes Die Bildungsmanager. „Habe ich bereits die nötigen Qualifikationen und Fähigkeiten für den Wechsel in den neuen beruflichen Bereich? Welche Aus- und Weiterbildungen gibt es dafür und sind diese für meine Situation hilfreich?“, lauten die häufigsten Fragestellungen ihrer Coaching-Kunden. Vor allem wenn die generelle Richtung, in die es gehen soll, noch unklar sei, könne Coaching beim Schaffen von Klarheit und beim Erkennen von Stärken und Entwicklungsfeldern wertvolle Dienste leisten. „Als Coach unterstütze ich bei der Lösungsfindung durch gezielte Fragen und die Herausarbeitung von persönlichen Zielen und Kompetenzfeldern. Zudem geht es um die Stärkung des Selbstbewusstseins und der Motivation, den ersten Schritt in Richtung der gewünschten Veränderung zu unternehmen“, so Jindra. Die Methoden reichen dabei von besonderen Fragetechniken, Rollenspielen und Kreativübungen über die Beratung und Information zu weiterführenden Organisationen oder Webseiten bis hin zum systemischen Coaching. „Die Erweiterung auf systemisch-integratives Know-how bedeutet eine Ergänzung und gleichzeitig Spezialisierung der Methoden im Rahmen der Systemtheorie“, erläutert dazu Herbert Korvas, Coach, systemischer Therapeut, Supervisor und Lehrgangsleiter des Diplomlehrgangs „Coach“ des BFI Wien. „Die Einzelnen werden in den sie umgebenden Systemen (Team, Abteilung, Unternehmen, Familie, Freundeskreis) ,betrachtet‘ und durch systemische Fragetechniken auf ihrem Weg begleitet. Der Coach hilft in einem gemeinsamen Prozess, die Potenziale zu erkennen und Ressourcen zu nutzen“, so Korvas.

Voraussetzung für den Coachingerfolg ist laut einhelliger Expertenmeinung auf jeden Fall die persönliche Bereitschaft der Coachees, Handlungen zu setzen und nicht nur die eigene Situation zu beklagen. Und es gilt in Anbetracht der großen Auswahl den „richtigen“ Coach zu finden. „Mitentscheidend ist sicherlich die Chemie zwischen Coach und Coachee“, so Faltin, der eine Stunde Probesitzung mit Arbeit am echten Thema empfiehlt. Was die Qualitätssicherung betrifft, sind Zertifikate und die Zugehörigkeit der Coaches zu professionellen Organisationen mit dokumentierten Qualitätsstandards ein guter Hinweis.

Auf einen Blick

Die Dauer von Coachingprozessen richtet sich nach dem Bedarf des Kunden – von einem einstündigen Termin bis zu längeren Einheiten über drei bis fünf Wochen. Die Kosten (ab 100 Euro) werden in der Regel bei einem telefonischen Erstgespräch vereinbart.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.coachingdachverband.at; www.meincoach.at; www.diebildungsmanager.at; www.bfi-wien.at;

www.incite.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2012)

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