Die Nobelpreisfeier am Montag wird von internen Differenzen überschattet. Kommissionsvertreter Kühnel wünscht sich dennoch ein Zusammenrücken in der Krise.
Die einen euphorisch, die anderen zynisch: Wenn am Montag in Oslo der diesjährige Friedensnobelpreis an die Europäische Union verliehen wird, werden die Zuseher der Liveübertragung ein Bild der Zerrissenheit dieser Gemeinschaft wahrnehmen. Denn einige prominente Staats- und Regierungschefs werden der Feierlichkeit bewusst fernbleiben. Der britische Premierminister David Cameron hat nicht nur jeden Kommentar über den Preis vermieden, er wird auch zur Verleihung nicht anreisen. Auch Tschechiens Staatspräsident Václav Klaus hat bereits seine Teilnahme abgesagt. Er hatte den Preis als „Scherz“ und „tragischen Irrtum“ tituliert. Sein Regierungschef Petr Necas wird ebenfalls fernbleiben.
Nicht auf der Liste ist außerdem der schwedische Regierungschef Frederik Reinfeldt, der aufgrund „anderer Verpflichtungen“ abgesagt hat. François Hollande für Frankreich, Angela Merkel für Deutschland und viele andere führende Politiker wie auch Bundeskanzler Werner Faymann werden hingegen nach Oslo reisen. Insgesamt werden nach derzeitigem Stand 18 der 27 Mitgliedstaaten durch ihre höchsten politischen Repräsentanten vertreten sein.
Münze mit Weißrussland und Ukraine
Während manche nationalen Politiker ihre Not mit dem Preis haben, schießt die Fraktion der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament vor Begeisterung übers Ziel: Sie ließ zur Preisverleihung eine Münze prägen, auf der die Grenzen der Union im Osten plötzlich bis Weißrussland, die Ukraine und Moldawien reichen, während die Schweiz und Norwegen aus der dargestellten Europakarte herausgeschnitten wurden.
Der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Wien, Richard Kühnel, bewertet die Verleihung jedenfalls positiv und fordert, dass die Mitgliedstaaten gerade in der Zeit der Krise „zusammenrücken“. Er sieht im Preis eine Motivation, die Dimensionen der politischen Integration wieder ins richtige Licht zu rücken. „Europa ist heute in kleinen Dingen zu groß und in großen Dingen zu klein. Vor allem in den großen Themen sollte es mehr Integration geben. Das betrifft die globalen Fragen wie etwa die Außen- und Sicherheitspolitik. Da ist das Potenzial heute sicher noch nicht ausgeschöpft.“
Während Kühnel im Gespräch mit der „Presse“ daran erinnert, dass die EU nicht nur auf dem Kontinent selbst, sondern weltweit für Frieden gesorgt habe – sie sei trotz Krise der weltweit größte Geber von Entwicklungshilfe und humanitärer Hilfe –, kommt gerade an dieser internationalen Rolle Kritik. Südafrikas Erzbischof Desmond Tutu sieht in den ehemaligen Kolonialländern keinen Anlass für eine solche Würdigung des europäischen Einigungsprojekts.
Die ebenfalls geäußerte Kritik, dass mit der Europäischen Union diesmal nicht eine Einzelperson, sondern eine Institution den Nobelpreis erhält, sieht das Preiskomitee hingegen gelassen. Denn bereits in der Vergangenheit wurden zahlreiche Institutionen, darunter die Vereinten Nationen (2001) und die Internationale Atomenergiebehörde IAEO (2005), ausgezeichnet.
Der Preis wird am Montag gemeinsam von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Ratspräsident Herman Van Rompuy und dem Präsidenten des Europaparlaments Martin Schulz entgegengenommen. Das Preisgeld von 930.000 Euro wird für Hilfsprojekte zugunsten von Kindern in Konfliktregionen zur Verfügung gestellt.
Nobelpreis-Finanzierung Seite 19
Veranstaltung
Diskussion und Übertragung. Die Vertretung der Europäischen Kommission veranstaltet in Kooperation mit der „Presse“ am Montag im Haus der Europäischen Union, Wipplingerstraße 35, eine Diskussion zum Thema „Friedensnobelpreis an die EU – Verdienst der Vergangenheit oder Auftrag für die Zukunft?“ Die Veranstaltung beginnt um 12.30 Uhr. Im Anschluss wird die Verleihung des Nobelpreises live übertragen. Anmeldung: epwien@europaparl.europa.eu